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Exkurs III – Das Verhältnis Georgiens zu Russland

Kurz gesagt: Es ist kompliziert! Der Nachbar Russland steht in Georgien für Machthunger, ständige Bedrohung, Mafia und Korruption.

Das Verhältnis war schon immer kompliziert. So fragt man sich z.B. warum es keinen “Tbilisier Frühling” gab Ende der 60er? Ganz einfach: Die Georgier hatten ihre Lektion gelernt, denn hier hatte man sich schon 1956 gegen die russische Führung aufgelehnt – leider nicht für die Freiheit und die Menschenrechte, sondern weil Nikita Sergejewitsch Chruschtschow in einem geheimen Dossier jeden weiteren Personenkult um den 1953 verstorbenen Georgier
Iosseb Bessarionis dse Dschughaschwili untersagt und damit die Ent-Stalinisierung der Sowjetunion eingeleitet hatte.

Aber gerade die den folgenden Aufstand anführenden Studenten wollten sich ihr großes georgisches Idol nicht nehmen lassen und forderten Freiheit – vor allem das Recht, den “Stählernen” weiter gottgleich anbeten zu dürfen.

Chruschtow beendete den Aufstand nach Russenart und ein paar hundert Aufständige verloren beim Massaker von Tbilisi ihr Leben. Es war der letzte Aufstand bis 1989, als russische Fallschirmjäger einen gewaltfreie Demonstration gegen die Sowjetunion niederknüppelten. 40 Menschen kamen ums Leben.

Aber: Die Sowjetunion löste sich auf, wurde zunehmend handlungsunfähiger und bei den Wahlen 1990 siegte eine pro-georgische Partei, die sich die Eigenständigkeit Georgiens auf die Fahnen geschrieben hatte.

Zwei Jahren nach der brutal niedergeschlagen Demo wurde die Republik Georgien auf Basis der Verfassung der ersten Republik ausgerufen.

Der Georgische Präsident Gamsachurdia verkündete, dass sich Georgien nicht an der Gründung der Gemeinschaft der GUS-Staaten beteiligen würde.

Allerdings Swiad Gamsachurdia machte bei der Lösung der innenpolitischen Aufgaben keine gute Figur und agierte zunehmend diktatorischer, bis er 1992 in einer Art Militärputsch abgesetzt und durch Eduard Schewardnadse, letzter Aussenminister der UDSSR, abgelöst wurde.

Im ersten Abchasienkrieg 1993 unterlag Georgen und musste sich mit der Unabhängigkeit der Teilrepublik abfinden – und dafür hohen Tribut zahlen: 50.000 Menschen starben und etwa 200.000 mussten fliehen. Auch in Süd-Ossetien gab es Probleme.

Schewardnadse führte Georgien 1995 wieder den GUS-Staaten zu und bis 2003 regierte er, ohne eine Ansteigen der allgegenwärtigen Korruption sowie den Schulterschluss mit Russland verhindern zu wollen oder zu können. Erst die sogenannte Rosenrevolution machte dem Schewardnadse-Treiben 2003 ein Ende und sorgte für einigermaßen demokratische und verlässliche Strukturen, die in dieser Form bis heute anhalten.

Große Probleme bekam Georgien 2007/2008 mit weiteren Auseinandersetzungen um Abchasien und Südossetien, die mit einer deutlichen Manifestierung des wohl endgültigen Verlustes der Teilrepubliken endeten.

Die erste Republik

Die erste kurze Selbständigkeit hatte es übrigens nach dem 1. Weltkrieg 1917 bis 1921 mit der “1. Republik” gegeben. In schweren Zeiten zog es die “Terrasse Europas” aber doch vor, sich zunehmend und schließlich endgültig unter das schützende Dach des großen Nachbarns zu stellen. Natürlich nicht ohne massiven Druck Russlands: Über die vielen tausend Toten und die Autonomiebestrebungen Georgiens dieser Zeit berichtet eine ständige Ausstellung des Tbiblisier Nationsmuseums auf sehr eindringliche Art und Weise. 1921 wurde Georgien dann zur Sowjet-Republik.

Tbilisi selbst hat nur einmal in der Vergangenheit wirklich den Atem der Geschichte in seinen Gassen gespürt. 1908 hatten sich hier die Geschicke der kommunistischen Revolution entschieden, als ein junger Seminarschüler namens Dschughaschwili einen Geldtransport der Bank von Russland überfiel und mit den erbeuteten 250.000 Rubeln über Jahre den Kampf von Lenins Rotgardisten bis hin zur erfolgreichen Oktoberrevolution finanzierte. Dabei sollen bis zu 40 Menschen getötet worden sein, Stalins damaliges Vorgehen erinnert an die Bankraubpläne der späteren RAF in Deutschland oder der IRA – auch hier zählte Geschwindigkeit und Rücksichtslosigkeit über alles.

Die Deutschen in Georgien

Die Geschichte der Deutschen in Georgien ist eng mit dem Einwanderungsdekret der russischen Zarin Katharina II. verbunden, das seit Ende des 18. Jahrhunderts Hunderttausende von Europäern – vornehmlich deutsche Bauern und religiös Verfolgte aus Württemberg – in den Osten zog, um hier die endlosen Weiten des Zarenreiches zu besiedeln. Die Deutschen gründeten hier Siedlungen, die man noch heute an ihren schnurgeraden Hauptstraßen erkennt. In Marienfeld bei Tbilisi stehen noch “Deutsche Häuser”.

Während zu Beginn der Besiedlung insbeondere die stetigen Angriffe der Völker jenseits der russischen Grenzen Opfer unter der deutschen Bevölkerung kosteten, war es am Ende Stalins Wahn, der das Kapitel “Deutsche in Georgien” brutal und unwiderruflich beendete. Nach der deutschen Kriegserklärung an die UDSSR wurden über Nacht alle Deutschen nach Sibirien und Kasachstan deportiert. Nur knapp 2000 sollten jemals zurückkehren. In den Orten erinnern sich die alten Leute noch daran, dass die Häuser der Deutschen wie bewohnt schienen, als die neuen Besitzer einzogen. Teilweise stand noch das Essen auf den Tischen – so überraschend hatte die Deportation die deutsche Bevölkerung erwischt.

Heute muss man beim Begwandern westlich der alten Heerstraße nach Wladikawkas vorsichtig sein, denn so mancher Wanderweg wird von russischen Grenzsoldaten mit Maschinengewehren im Anschlag versperrt. Andererseits kommen zunehmend mehr russische Touristen nach Georgien. Die gesamte Gemengelage ist für Europäer etwas unübersichtlich. Eins scheint klar – die Freiheit werden sich die Georgier nicht mehr nehmen lassen.

Exkurs II: Südossetien und Abchasien

In der Vorbereitung auf unsere Reise haben wir uns natürlich auch über politische und völkerrchtliche Dinge informiert. Dabei blieben Südossetien und die autonome Republik Abchasien im Verständnis der Gesamtlage immer etwas nebulös. Gerade in bezug auf die Kaukasus-Republik Süd-Ossetien waren wir von ethnischen oder religiösen Hintergründen, und allgemein geschichtich begründeten Souveränitätsbestrebungen ausgegangen.

Über Abchasien redet man hier nicht viel, denn die Geschichte ist blutig und wohl auch von ethnischen und nationalistischen Differenzen geprägt. Anders sieht das in Südossetien aus, wo es keine echte Regierung gibt, sondern die Staatsgewalt inkl. der Grenzkontrollen von russischem Militär ausgeübt wird. Fragt man die Georgier, dann sind die 50.000 Süd-Ossetier alles andere als freie Menschen und jeden Tag weitet der unbeliebte Nachbar Russland seinen Einfluss weiter aus und zwar aus rein wirtschaftlichen Interessen: Abchasien und Südossetien sind nicht militärstrategisch interessant sonden nur noch wirtschaftsgeografisch, denn wichtige Teile des Gastransports von Russland in den Westen läuft über diese Gebiete.

Ein Grenzübertritt ist nicht möglich, denn ein Stempel der süd-ossietischen oder abchasischen Verwaltung im Pass bedeutet gleichzeitig für Einreisende in Georgien, dass ein illegaler Grenzübertritt vorliegt, der im besten Fall mit einem Einreiseverbot geahndet wird. Touristen kommen beim Wandern schnell in diese Situation, denn die “Grenze” verläuft etwa 20 Kilometer neben der “Georgischen Heerstraße” und nahezu jedes Tal Richtung Westen endet irgendwann auf süd-ossietischem Gebiet.

Im öffentlichen Leben wird wenig über den Autonomiestatus der drei Republiken (auch die Region um Botumi ist autonom) geredet, allerdings ist überall und deutlich die Abneigung gegen den Nachbarstaat zu spüren, obwohl gerade im Kaukasus sehr viele russische Touristen für Umsatz sorgen.

Das eigentlich Problematische ist, dass Russland seinen Einflussbereich in Südossetien immer weiter ausdehnt, ohne dass die aktuelle Regierung sich mal zu einem weltweit zu hörenden “Halt” aufruft. Es gibt keinen zu berdenden “Status Quo”, weil die Ansprüche Russlands nicht definiert sind, sondern nach belieben ausgedehnt werden. “Wir verlieren jeden Tag ein paar Meter an die Russen und es ist nicht abzusehen, dass das aufhört”, dürfen wir einen Lokalpolitiker aus Tiflis zitieren. Wer befürchtet, mit seinem Land “geschluckt” zu werden, muss wegziehen oder seinen georgischen Pass gegen den russischen tauschen.

Um ehrlich zu sein: Wir haben noch nicht mit einem Russen über dieses Thema gesprochen und kennen die Geschichte nur von einer Seite. Daher wird dieser Artikel sicherlich nocht fortgesetzt.

Exkurs I: Das Paradies von Nika Vacheishvili

Wir sind mal wieder gestrandet – diesmal auf einer Trauminsel: Das Weingut von Nika Vacheishvili (51) nahe des Stalin-Geburtsortes Gori im Zentrum Georgiens erfüllt alle Aussteiger-Träume. Auf einem überschaubaren Berggrundstück im Atenuri-Tal mitten in einer über 1000-jährigen Weinbau-Tradition hat sich der gelernte Kulturhistoriker seinen persönlichen Traum vom Winzerleben erfüllt.

Mit einer Anbaufläche von 30.000 Quadratmetern könnte er einem deutschen Weinbauern allenfalls ein “Och ist das süß” entlocken, aber für georgische Verhältnisse ist das mehr als genug, denn um den Vertrieb muss er sich dank eines gut besuchten Gästehauses nicht kümmern und industrielles Wachstum ist nicht Nika Vacheishvilis Thema. Lieber baut und plant er sein Museum auf dem Nachbargrundstück.

Wer das Gästehaus besucht ist geneigt länger zu bleiben: Aus Angst vor dem abenteuerlichen Rückweg mit Schotter, spanferkelgroßen Schlaglöchern und Fluss-Überquerungen, aber hauptsächlich, weil man sich hier so unglaublich wohlfühlen kann.

Durch Mund-zu-Mund-Propaganda ist das Haus stets gut gefüllt und der Hausherr begrüßt seine vornehmlich deutschen Gäste fließend in deren Muttersprache. Die Küche ist ein georgischer Traum und die Unterkünfte stehen weit über landestypischem Gästehaus-Niveau. Das hat hier schon deutschen 3-Sterne-Charakter und die Liebenswürdigkeit der Gastgeber bügelt alle eventuellen Schwachstellen charmant aus. Wir haben uns während unserer ganzen Reise außer im Kloster bei Bobota (Rumänien) nirgendwo so herzlich umsorgt gefühlt wie hier im georgischen Niemandsland, gut 20 Kilometer unsagbar schlechter Wegstrecke vom nächsten Ort entfernt.

Das Abendessen kostet 80 Lira für 2 Personen, also etwa 12 Euro pro Kopf. Dabei kann man sich die Weinkarte des Hauses hoch und runter trinken – ohne Aufpreis…

Nika braucht keinen Vertrieb – was er produziert wird im Gasthaus getrunken – insgesamt rund 4000 Liter pro Jahr. Gekeltert werden die für die Region Atenuri historisch wichtigen Trauben Takveri (Rot) und Chinebuli (Weiß), wobei der Winzer neben Rot- und Weißwein auch einen feinen Rose aus weißen Trauben mit Maische aus roten Trauben fermentiert. Die Flaschen werden direkt abgefüllt. Nach alter Tradition müsste noch im Ton-Amphoren gelagert werden, aber der Aufwand wäre zu groß.

Das Geheimnis des Bodens ist dessen starker Magnetismus. Die Erde ist so “anziehend”, dass man sie mit einem Magneten aufnehmen kann.

Unsere absolute Top-Empfehlung für Georgien: www.atenuri.ge

14. Etappe – Georgien (14. September – 12. Oktober)

Exkurs I: Das Weingut Vacheishvili
Exkurs II: Abchasien und Süd-Ossetien
Exkurs III: Das Verhältnis Georgiens zu Russland
Exkurs IV: Der Waschlowani-Nationalpark

Wir sind etwa 650 Kilometer von der Georgischen Grenze, 900 Kilometer von Tiflis und etwa 1100 Kilometer von der russischen Grenze entfernt. Hier hätten wir in Wladikawkas das eigentliche Ziel unserer Reise erreicht.

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Exkurs IV – Schicksalsfragen

Was will mir das Schicksal eigentlich sagen? Fahr nach Hause? Bleib noch ein paar Tage in Malatya? Sieh zu, dass du nach Georgien kommst?

Ich weiß es echt nicht – aber bislang hat es mich gut beraten. Nach unserem Unfall sind so wunderbare Dinge passieren, die mein Leben für immer ändern werden. Aber aktuell lässt es mich ratlos zurück.

Wir vertrauten der Nachricht “Das Auto ist zu 90 % fertig” und sind von Sanliurfa nach Malatya zurückgefahren. Der Werkstattleiter kommt mit “Daumen hoch” und breit grinsend auf mich zu. Neben mir das Auto – zugegeben auf allen vier Rädern, aber immer noch eine große Baustelle ohne Kotflügel und herabbaumelnden Spiegel.

Es geht hektisch und her und irgendwie begreift er dann doch, dass ich mit dem Ergebnis seiner 6-wöchigen Reparatur nicht so ganz zufrieden bin, was ihm dann endlich dieses Grinsen aus dem Gesicht fegt.

Der Chef kommt und wird kalkweiß. Ich weiß inzwischen, was passiert ist. Bei der Auftragsvergabe hatte ich formuliert, dass nur die notwendigsten Sachen erledigt werden sollten, damit ich die Reise fortsetzen kann. Spiegel, Kotflügel und funktionierende Sicherheitsgurte waren da nach Meinung des Werkstattleiters nicht eingeschlossen.

Die fehlenden Teile brauchen jetzt noch einmal 3 bis 4 Tage. Bislang ist immer etwas wunderbares auf solche Hiobsbotschaften gefolgt. Wird das so weitergehen oder schreit das Schicksal mir “Letzte Warnung” hinterher? Ich weiß es nicht und was mir sehr viel Freude bereitet: Es ist mir inzwischen egal – ich mache mir keinen Kopf mehr über sowas, denn der Erlebniswert unserer Reise könnte bis hierher nicht größer gewesen sein und ich kann sowieso an nichts etwas ändern. Ich kann es nicht zum Guten wenden, ich kann aber auch das Schlechte nicht verhindern.

Ob das Werkstattgebaren jetzt typisch für die Türkei ist oder ob es einen Schuldigen gibt – das ist alles völlig egal. Es ist wie es ist – Inshallah wie der Türke sagt und damit meint er nicht den klerikalen Wunsch nach einer Fügung durch Gott, sondern dass es kommt wie’s kommt.

Wenn Türken sich für andere freuen, dann entlockt es ihnen ein fröhliches “Mashallah”, z.B. wenn sie erfahren, dass du der Vater vieler Söhne bist. Dieses “Mashalah” steht für einen echten und völlig frei von negativen Gedanken geäußerten Respekt. Ich hoffe, dass ich mir ein “Mashallah” verdiene, egal, wohin die Reise geht und wo sie endet…

13. Etappe – Die Türkei ( 6 . Juli – 13. September)

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Liebe Leser dieser Zeilen!
Mein Bericht über die Türkei ist sehr lang geworden, da uns der Unfall gezwungen hat, hier mehr als 6 Wochen länger umherzureisen, als es eigentlich geplant war. Ich habe mir für meine oft moralisierenden und schulmeisterlichen Formulierungen viel Kritik anhören müssen. Dafür danke ich sehr, denn diese Kritik ist absolut berechtigt! Ich beende die “Etappe 13” an dieser Stelle, um bis zum Wochenende alles noch einmal zu überarbeiten. Sollte in den letzten Tagen vor dem Grenzübertritt nach Georgien noch etwas passieren, werde ich das schon in “Etappe 14 – Georgien” vermerken.

Exkurs I: Wie verarbeite ich einen Unfall?
Exkurs II: König Antiochos I – Der Gottkönig im Berg
Exkurs III: Türkische Gastfreundschaft
Exkurs IV: Schicksalsfragen

Nach wirklich einfacher Grenzkontrolle fahren wir in die Türkei ein. Der Pulsschlag geht hier schneller, das ist uns sofort klar – spätestens als wir uns in die Schlange für die Fähre über die legendären Dardanellen einreihen. 10 Leute büllen verschiedene Kommandos und die Autofahrer machen was sie wollen. Nach 10 Minuten ist die Fähre voll.

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Türkische Gastfreundschaft

Wir sind hier in Ost-Anatolien in einer Gegend gelandet, in der traditionelle Werte mit einer extremen Hartnäckigkeit gepflegt und auch verteidigt werden. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis der Geschlechter. Hier essen die Männer getrennt von den Frauen, Kindererziehung ist reine Frauensache und das Patriarchat funktioniert noch wie vor 500 Jahren. Die Vorherrschaft des Mannes, insbesondere des Vaters und des ältesten Sohnes ist nicht diskutierbar und auch jüngere und gebildete Frauen unterwerfen sich diesem System – wenn auch vielfach in stillem Widerstand.

Letzten Endes entscheiden und bestimmen tut der Vater oder nach dessen Tod der älteste Sohn. Ich habe das Gefühl, dass viele Frauen das auch nicht in Frage stellen und sich sehr bewusst in diese Rolle fügen.

Natürlich ist die “Türkische Gastfreundschaft” ein besonders lebendiger Teil türkischer Tradition. Einladungen zu Tee und Kaffee gibt es nahezu bei jedem Kontakt mit allen Teilen der Bevölkerung. Spätestens nach 5 Minuten wird eine Einladung zum Essen ausgesprochen. Wir haben aber auch erlebt, dass eine solche Einladung dann auch mal vergessen wird und man wie bestellt und nicht abgeholt rumsteht und niemand kümmert sich um einen.

Es gilt als extrem unfreundlich, eine Einladung nicht auszusprechen – sie nicht zu erfüllen ist dann nicht ganz so tragisch.

Wir haben nirgendwo auf unserer Reise mehr Gastfreundschaft erleben dürfen wie in der Türkei – das ist unbestritten und dafür gilt dem ganzen Land unser herzlicher Dank.

Manchmal frage ich mich, warum das bei uns so ausgestorben ist. Ich glaube wirklich, dass ein realistisches Maß an Gastfreundschaft auch ein Evolutionsmerkmal ist und ein Zuviel an Gastfreundschaft irgendwann persönliche und auch gesellschaftlich relevante Probleme produziert, weil aus Aktion und reaktion zu oft zu unterschiedliche Dinge herausgelesen werden. Allerdings dürfte ein Zuwenig an Gastfreundschaft noch viel schlimmere Folgen haben…

König Antiochos I Teos und der Nemrut – Der Gottkönig im Berg –

König Antiochos I Teos (69 – 34 vor Christus) war ein besonderer König – er war reich und er hat es geschafft, sich in der Fülle von Herrschern im damals noch größtenteils hellenistisch geprägten Anatolien einen Sonderstatus zu erarbeiten und im Gedächtnis der Welt über die Zeit zu retten.

Heute ruht der König auf 2150 Metern- wahrscheinlich auf ewig – im Mount Nemrut in der Nähe der Provinzhauptstadt Adyaman. Bis heute ist es keinem Forscherteam gelungen, den Eingang zur Grabanlage zu finden und so wie es aussieht werden dazu auch keine Initiativen mehr ergriffen. Grund dafür: Um an die Grabkammer zu gelangen, müsste der komplett von Menschenhand aufgeschüttete Gipfel wieder abgetragen werden. Dies wäre nicht zu finanzieren und würde auch die zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannte Kultstätte zu 100 % zerstören.

Ein Blick von der Ostterrasse auf den aufgeschütteten Berggipfel.

Die Architekten des Königs haben ganze Arbeit geleistet und ihren Auftrag erfüllt: Niemand wird die Ruhe des Königs stören – auch wenn Archäologen sich mit teils unorthodoxen Mitteln Zugang zu verschaffen suchten. So setzte die als “Queen of the Mountain” in die Geschichtsbücher eingegangene Nemrut-Pionierin Theresa Goell sogar Dynamit ein, um den Zugang freizubomben – vergeblich: Der massive Sprengstoffeinsatz hinterlies nur eine kaum sichtbare Mulde im monumentalen und weithin sichtbaren Geröll-Haufen.

Zur Geschichte des Königreiches Kommagene

Das Reich der Kommagene war in der Zeit um Christi Geburt ein Puffer zwischen den damaligen Weltmächten. Antiochos I verwies auf einen Stammbaum, der sich angeblich mütterlicherseits bis zu Alexander dem Großen zurückverfolgen ließ, väterlicherseits bis zu Darius I, dem legendären Großkönig der Perser. Allerdings: Antiochos schrieb sich seine eigene Geschichte: Alexander der Große hatte keine Kinder…

Antiochos war offensichtlich ein guter Geschäftsmann, der zum einen zwischen den Mächten vermitteln und zum anderen in Krisenzeiten Ausweichrouten für die Händler auf der Seidenstraße anbieten konnte.

Die reale Geschichte des Antiochos I ist überliefert und spannend: Als Antiochos den Thron bestieg war Kommagene das einzige im Osten des römischen Reiches noch nicht unterworfene Volk. An Antiochos Hauptstadt Samosata bissen die Römer sich die Zähne aus.

Antiochus bewies Verhandlungsgeschick und der römische Konsul Lucullus zog seine Truppen ab. Politisch geschickt agierend verheiratete Antiochus eine Tochter mit dem damaligen Perserkönig, der sich nach einem Sieg über die Römer deren Provinz Syria einverleibt hatte.

Für kurze Zeit herrschte Frieden, aber 38 vor Christus gelang Marcus Antonius der entscheidende Sieg über die Perser. Antiochos blieb zwar neutral und konnte sein Königreich bewahren, er machte sich allerdings mit der Aufnahme vieler Flüchtlinge keine Freunde in Rom. Man wurde sich nicht einig und abermals rannten die Römer gegen Antiochos Hauptstadt an – wiederum vergeblich.

Antiochos starb jung und sein Sohn – Mitradates II – konnte das erfolgreiche Abwehren der Römer nicht fortsetzen. Kommagene wurde Teil der römischen Provinz Syria.

Dem historischen Samasota machten übrigens die Türken selbst den Garaus: Die Stadt versank in den Fluten des Atatürk-Staudamms.

Wer die Anlage heute besucht kommt sofort ins Grübeln, z.B. darüber, wo sich der Eingang zur Grabkammer befinden könnte und auch darüber, wie der Berggipfel wohl ausgesehen hat, bevor Antiochos I den Nemrut zu einer Kultstätte machte. Wahrscheinlich war der ursprüngliche Berggipfel gar nicht der höchste Gipfel der Region. Allerdings hatte er das Potential, mit ein paar Nachbesserungen zu einem weithin sichtbaren Monument zu werden.

Ich unterstütze die Theorie, dass auf dem ursprünglichen Gipfel des Nemrut eine Grabkammer in den Berg gebohrt wurde. Anschließend wurde der 50 Meter hohe Gipfel künstlich aufgeschüttet – entweder mit bereits”bewohnter” Grabkammer oder mit einem Zugang, der nach der Beisetzung zerstört wurde oder durch das Gewicht des Berges kalkuliert zusammenbrach.

Durch diese geniale Technik ist die Grabstelle – wahrscheinlich – auf ewige Zeiten vor Grabräubern und Archäologen geschützt. Um an die letzte Tür zu gelangen, die Zugang zur Grabkammer des Antiochos I gewährt, müsste der gesamte Berg abgetragen werden und das ist schlichtweg unmöglich.

Archäologisch ist auch ohne Öffnung der Grabkammer noch einiges zu tun. Errosion und kletternde Touristen setzen der Anlage sehr zu und ohne aufwändigste Restaurationen wird die Anlage – bis auf die Bergspitze – Stück für Stück verfallen.

Ein gutes Beispiel ist das so genannte Löwen-Horoskop. Es handelt sich dabei um ein Relief, das genaue Daten zum Geburtstag des Antiochos liefert. Nach der Entdeckung der Tafel war man hoch erfreut über den tollen Zustand – es hatte tausende von Jahren auf dem Kopf gelegen. Allerdings setzten die kommenden 50 Jahre dem Relief derart zu, dass es so gut wie zerstört ist.

Es gibt zwar noch einen hervorragenden und rekonstruierbaren Abdruck des vollständigen Reliefs – dies ist aber dann nicht das Original, sondern nur eine Kopie.

Hier mehr über interessante Ausgrabungsstätten in der Umgebung des Mt. Nemrud erfahen: www.vertellervanhetoude.nl