Archiv der Kategorie: Vorbereitungsphase

Ich befasse mich seit etwa 3 Jahren mit dem Wunsch, das bisherige Lebensmodell gegen ein Neues auszutauschen. Die Umsetzung scheiterte immer an Wucht des Gepäckes – kognitiver und realer Art – das man als Mann so in den späten 50-ern mit sich herumschleppt. Irgendwann gelang es, zuerst die kognitiven Barrieren aus dem Weg zu räumen, etwa ein halbes Jahr zuvor wurde mit dem Verkauf des Hauses der erste wirklich große Schritt angegangen. Die nachfolgenden Blogartikel befassen sich mit meinen Gefühlslagen vom Tag “48 Tage vor der Abreise” an.

Minus 1 – und los geht’s

Endlich sind wir unterwegs. Nach der wirklich sehr emotionalen Verabschiedung von den geliebten Schwägerinnen und Schwestern geht es in den Rheingau. “Mr. Extrem Hilfsbereit” – also mein Kumpel Jürgen W. – hat noch schnell beim Aufbau der Kabine geholfen und dann ging es los. Ab sofort ist nix mehr mit “Minus” und es geht los. Wir warten jetzt hier auf die Visa für Russland – das kann ein paar Tage dauern und ich werde das nutzen, um mal ein paar technische Themen hier im Blog aufzuarbeiten. ich entschuldige mich dafür, dass die letzten Postings alle etwas kurz waren – aber ich bin echt platt…

Minus 2 – DANKE!!!

An dieser Stelle mal ein herzliches Dankeschön für all die guten Wünsche, Umarmungen und Aufmunterungen, die wir in den letzten Tagen erfahren haben. Stellvertretend für alle anderen bedanke ich mich hier bei meiner tollen Ex-Postbotin Dagmar und meinen beiden Lieblingssyrern Khaled und Chaldoun, die extra aus Bonn, bzw. Essen angereist kamen, um uns noch einmal zu sehen. Bitte seht uns nach, wenn wir nicht jede SMS, nicht jedes Posting und jede Whatsapp-Nachricht sofort beantworten – das dauer etwas!

Minus 3 – Die ersten 700 Kilometer

700 Kilometer bin ich mit dem Ranger in den letzten 14 Tagen gefahren und sitz immer noch in Allagen. Am Samstagabend dann noch eben die Waschmaschine zu Charly und Daniela gebracht, die Stehlampe zu Schallers, die Pflanzen zu Ulla und den eingetopften Weihnachtsbaum zu Ingrid. Und da war er dann dieser magische Moment: Wohnung komplett ausgeräumt und übergabebereit. Jetzt brauche ich die Ladefläche nicht mehr und kann endlich die Kabine montieren.

Minus 5 – Hundefreunde

Auch unser Michel muss sich verabschieden. Sein bester Freund Anton hat auf jeden Fall gespürt, dass er geht, denn so nassgesabbert hat er Michels Ohr bislang noch nicht. Auch die Kumpels aus seinem Rudel bei SafeBox am Puddelhammer (Foto) werden ihn sicher vermissen. Die Katzen hier oben am Bockholt werden sich freuen, denn bald gehört ihnen das Revier alleine. Allerdings können sie ihre Kackhaufen nicht mehr unserem Michel zuschieben. Jetzt kommen die Viecher mal selbst in Verdacht…

Minus 6 – Wie’s kommt

Derzeit kommt’s wie’s kommt und das alte Leben greift mit Macht nach mir. Völlig unerwartete und teils auch gar nicht mehr zu klärende Dinge werfen einen aus der Bahn und die Fülle der kleinen und großen Sachen, die erledigt werden müssen, sorgen für massiven Schlafentzug.

Das Schläfchen hole ich mir zwischendurch. Im Stau, bei meiner Schwester auf dem Sofa, auf der Bank im Straßenverkehrsamt oder in der Warteschleife der Telekom. Manchmal erwischt es mich auch völlig unvorbereitet während des

Minus 8 – Angst vor Veränderungen

Aussteiger müssen vor allem eins tun, eine Entscheidung treffen – und zwar eine Entscheidung, die sehr viele, sehr unterschiedliche und auch in der Bedeutung extrem variierende Folgen mit sich bringt, über die man dann nicht mehr entscheiden muss. Es ist quasi eine Master-Entscheidung. Wer aussteigen will, muss z.B. kündigen, sein Haus verkaufen, sich von seinen Freunden verabschieden und damit klarkommen, dass Themen wie Rente und das soziale Umfeld neu geordnet werden.

So eine Entscheidung mit den klassischen Entscheidungsbewertungen falsch oder richtig einordnen zu wollen, funktioniert aber nur bedingt und wie immer, wenn man sich zwischen falsch und richtig nicht einsortieren kann, kommt das Gefühl dazu: Also es fühlt sich entweder gut oder schlecht an.

Bei uns hat sich das Gefühl Aussteigen zu wollen und es auch letztendlich zu können, von Anfang an gut angefühlt – also musste es wohl auch richtig sein. Daraus entwickelt sich Zuversicht. Fühlt es sich schlecht an, dann erwächst daraus Zeifel und später Angst.

Nun hat aber Gott der Herr oder die Evolution dafür gesorgt, dass Zweifel, Angst und Zuversicht zu wichtigen Überlebensmerkmalen wurden.

Wer also zweifelt, der sollte sich erst mal um diese Ängste kümmern und überlegen, wo sie herkommen und ob sie begründet sind, wer zuversichtlich ist, sollte sich auf jeden Fall genau überlegen, ob er nicht besser zweifeln sollte. Genau an dieser Stelle kommt die Rationalität ins Spiel und Menschen, die eher zur Zuversicht, als zur Angst tendieren – ohne das eine oder andere klar begründen zu können – werden die Frage nach der Möglichkeit des Aussteigens entspechend bewerten: Gas geben oder auf die Bremse treten.

Astrid Lindgren hat ihre Pippi Langstrumpf mal sagen lassen: “Das haben wir noch nie versucht, also wird es schon gutgehen!” Ein guter Freund hat mir mal gesagt: “Sowas habe ich noch nie gemacht, also ist das nichts für mich!” Jeder Mensch hat eine “Warum ich das nicht tue”-Antwort, und die sollte immer mal hinterfragt werden.

Bei uns kam zur grundsätzlichen Zuversicht auch noch das positive Ergebnis einer rational behandelten Entscheidungskette dazu. Ja, wir konnten das Haus gut verkaufen, ja, ich kann auch unterwegs Geld verdienen, ja, wir kommen auch auf kleinstem Raum gut miteinander aus.

Wir hören oft “Das würde ich mich nicht trauen!” Was impliziert das denn? Dass man gehen würde, wenn man den Mut hätte? Aber wie komme ich denn ohne Mut zurecht – in welcher Welt und wo auch immer?

Der Mensch ist ein komisches System, den bei aller Genialität kann er das Thema “Angst” nicht wirklich steuern. Bestes Beispiel: Wir wissen ganz genau, dass wir derzeit dabei sind, unsere Welt mit Schmackes zu zerstören. Es gibt genug wissenschaftliche Studien und niemand, der sich ernsthaft damit auseinandersetzt zweifelt daran, dass in 50 Jahren nichts mehr so sein wird wie heute.

Warum wir nichts dagegen tun? Weil wir keine Angst davor haben und Frau Merkel das schon richten wird. In Systemen wie unseren hat der Einzelne keine Angst oder übertriebene Zuversicht zu haben – dann funktioniert es nicht mehr.

Hätten wir Angst vor der Katastrophe, dann würden wir etwas dagegen unternehmen. Da wo die Angst zu Entscheidungsprozessen beiträht, hat Sie ein mächtiges Stimmchen mitzureden, wo die Evolution oder Gott der Herr sie für nicht zielführend hält, ist sie obsolet.