13. Etappe – Die Türkei ( 6 . Juli – 13. September)

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Liebe Leser dieser Zeilen!
Mein Bericht über die Türkei ist sehr lang geworden, da uns der Unfall gezwungen hat, hier mehr als 6 Wochen länger umherzureisen, als es eigentlich geplant war. Ich habe mir für meine oft moralisierenden und schulmeisterlichen Formulierungen viel Kritik anhören müssen. Dafür danke ich sehr, denn diese Kritik ist absolut berechtigt! Ich beende die “Etappe 13” an dieser Stelle, um bis zum Wochenende alles noch einmal zu überarbeiten. Sollte in den letzten Tagen vor dem Grenzübertritt nach Georgien noch etwas passieren, werde ich das schon in “Etappe 14 – Georgien” vermerken.

Exkurs I: Wie verarbeite ich einen Unfall?
Exkurs II: König Antiochos I – Der Gottkönig im Berg
Exkurs III: Türkische Gastfreundschaft
Exkurs IV: Schicksalsfragen

Nach wirklich einfacher Grenzkontrolle fahren wir in die Türkei ein. Der Pulsschlag geht hier schneller, das ist uns sofort klar – spätestens als wir uns in die Schlange für die Fähre über die legendären Dardanellen einreihen. 10 Leute büllen verschiedene Kommandos und die Autofahrer machen was sie wollen. Nach 10 Minuten ist die Fähre voll.

Eine unbeschreibliche Hektik lädt das Boot – das ginge auch anders, wäre dann aber nicht mehr türkisch.

Nach kurzer Überlandfahrt, auf der wir unser erstes Kamel sehen, erreichen wir Camlik, das ist eine Art Campingplatz, für den man 10 Lira, also etwa 1,50 Euro, für die Nacht bezahlt.

Unser erstes Kamel – es sollten noch einige folgen.

Wir sind die einzigen Ausländer und die Kinder kommen und fragen, ob sie Englisch mit uns reden dürfen. Im Hintergrund dudelt Türk-Pop und es ist eine sehr entspannte Atmosphäre.

Eigener Strandzugang inklusive…

Die Kommunikations- und Arbeitsbedingungen sind 1a: Wir haben uns in Galipolli eine SIM-Karte mit 20 MB gekauft für 20 Euro. Der Diesel ist längst nicht so teuer wie gedacht: Knapp ein Euro.

Nächste Station ist der Campingplatz “Altin-Camp”. Hier planen wir die nächsten Tage. Troja, Ephesos und Pergamon sind zwar berühmte Orte in der Umgebung, aber ganz im Ernst: Ich kann keine alten Steine mehr sehen. Also minimieren wir den Besichtigungsmarathon auf Pergamon un fahren dann direkt nach Pamukkale. Die Annehmlichkeiten des Altin-Camps werden uns aber wohl noch etwas halten. In neun Tagen holen wir Ella in Antalya vom Flughafen ab.

Ein Schläfchen nach der Hitze des Tages – und dann ab ins Nachtleben.

Des Leben in der Türkei ist sehr günstig, insbesondere Nahrungsmittel wie Gemüse, Brot oder Obst sind unglaublich preiswert und von der Qualität nicht mit deutscher Supermarktware zu vergleichen. Die Pracht ist paradiesisch.

Am nächsten Morgen – es ist bereits 9.30 Uhr und die Zirkaden schlafen noch. Es herrscht absolute Ruhe auf dem Platz, obwohl hier gut 100 türkische Familien vor ihren Zelten, Wohnwagen und Wohnmobilen sitzen und frühstücken. Hier schreit keiner rum. Das ist alles überaus angenehm und ein Kontrapunkt zur Art und Weise, wie die Türken ihr Stadtleben präsentieren.

Einladen und eingeladen werden – das geht hier ganz schnell und unkomplizert.

Wir sind weiterhin die einzigen Deutschen hier und neben unserem Michel interessieren sich die Türken ziemlich für mein Auto. Das gibt immer wieder Anknüpfungspunkte für sehr schöne und auch sehr tiefgehende Gespräche, die in einer großen Herzlichkeit geführt werden. Was mich weiter tief beeindruckt ist diese Ruhe und Harmonie auf dem Platz und die Ausgeglichenheit der Kinder.

Papa interessiert sich für mein Auto, die Tochter hat nur Augen für den Hund: “Call me if you have any problems in turkey!” Wir werden die Nummer gut aufbewahren.

9. Juli – in sechs Tagen landet Ellas Flugzeug im 500 Kilometer entfernten Antalya und wir müssen uns auf den Weg machen – widerwillig! Wir haben hier im Altin-Camp tolle Leute kennengelernt, hatten ein Tagesbudget von unter 15 Euro und haben in schönen Gesprächen viel Angenehmes und Widersprüchliches über dieses große Land erfahren.

Ob türkischer Kaffee oder ein typisch türkisches Frühstück. Die Türken pflegen einen sehr bewussten Umgang mit Lebensmitteln.

Den Zwischenstopp in Pergamon haben wir nicht bereut: 150.000 Menschen haben hier gelebt und die Anlage – hoch auf einem Berg – vermittelt dazu einen absolut authentischen Eindruck. Das ich nicht mit den paar alten Steinen zu vergeichen, die in Olympia oder Epidauris rumliegen – das ist echt Geschichte zum Anfassen in einer beeindruckenden Umgebung – 700 Meter über Bergama.

Die 250 Kilometer bis nach Pamukkale absolvieren wir auf einer durchweg 2-spurigen Landstraße. An den Straßen hier kann sich Deutschland eine Scheibe abschneiden – nur dass sie in dieser Qualität hier gar nicht notwendig wären. Ich weiß nicht mit welchen Zuwachsraten die bei den kfz-Anmeldungen noch rechnen, aber Staus wird es hier niemals geben.

In Pamukkale will der Campingwart 150 Lira von uns haben, wir handeln ihn auf 90 runter und er ist nicht mal böse, eher leicht beeindruckt. Im Restaurant lernen wir Amel aus Usbekistan kennen. Er schwärmt so von seinem Heimatland, dass wir ernsthaft überlegen, den Schlenker zu machen. Auf dem Campingplatz ist mittlerweile der Australier Paul mit seinem Motorrad angekommen. Er ist seit 8 Wochen unterwegs und ist in Thailand gestartet. Wie ich ärgert er sich, dass der Iran als Transitland kaum noch genutzt werden kann und auch er empfiehlt uns Usbekistan und Kasachstan.

Das Auto läuft seit 1000 Kilometer ohne Mucken und auch die Kabinenelektrik ist stabil – so langsam packt uns das Reisefieber wieder.

Unglaubliche Eindrücke: Pamukkale gehört zu den Top5-Sehenswürdigkeitem der Türkei

Den nächsten Vormittag verbringen wir auf den Kalkfelsen, die wirklich schneeweiß in der Sonne strahlen. Die Türkinnen nutzen diese beeindruckende Sehenswürdigkeit als Laufsteg und schießen dabei nicht selten weit über’s Ziel hinaus. Ich lach mich tod wenn ich drüber nachdenke, dass wir in Deutschland mit den bei uns lebenden Türken eine Kopftuchdiskussion führen und die jungen Damen hier wirklich alles rausholen, was an Figur und Haut zu zeigen ist.

Es geht aber auch stilvoll, wie diese junge Asiatin beweist.
Pamukkale heißt “Weiße Festung” – in Anspielung auf die befestigte Stadtanlage hoch oben über dem Kalk – Das Amphitheater sieht aus, als hätte es gestern noch eine Aufführung gegeben.
Ein Blick von oben auf das neuzeitliche Pamukkale.

Am Nachmittag entfliehen wir der Hitze in die Berge und finden Tepe-Camping. Alles etwas gewöhnungsbedürftig aber wir verzeihen diesem tollen Land mittlerweile gern einiges.

Die Türken wollen mit uns diskutieren – über Erdogan, über die Türken in Berlin, über Trump und über EU-Beitritte. Sie machen das in einer herzerfrischenden Offenheit.

Hier hat mich vor allem ein älterer Türke zum Nachdenken gebracht. Ich habe ihn gefragt, warum seiner Meinung nach die Deutschen nicht mehr in die Türkei fahren. “Weil unsere Zeitungen ein falsches Bild über die Türkei vermitteln!” Ich konnte ihm erklären, dass es damit ganz und gar nichts zu tun hat, sondern dass es nur um fehlenden Respekt geht und um Anfeindungen gegenüber Deutschland und auch unserer Kanzlerin, und auch um die Verhaftung deutscher Journalisten und die unnötigen Anspielungen auf die Nazi-Zeit. Er hat sofort verstanden, dass das mit dem türkischen Volk – oder mit seinem Land als Kultur – aber auch gar nichts zu tun hat – aber es hat die Begegnung gebraucht, um sich greunzüberschreitend darüber bewusst zu werden.

Kaum sind wir mit dem Essen fertig bringen uns die Nachbar den Nachtisch – das ist wirklich unglaublich!!!

Die Leute hier wissen nicht mal wirklich, warum die Touristen nicht mehr kommen. Und ob der Tourismus wirklich zurückgeht, das wissen wir wiederum überhaupt nicht. Antalya hatte in 2019 Rekord-Zahlen zu verbuchen.

Mein Nachbar Durgan lädt mich ein und ich trinke Raki mit Wasser und finde wieder mal das Konterfei von Atatürk. Der Gründervater der modernen Türkei ist populärer denn je. Mit Nationalismus hat das aber gar nichts zu tun. Es ist eher ein Statement dafür, welche Qualitäten ein Staatsoberhaupt haben sollte.
Selfie mit Durgan: Der Diplomingenieur aus Ankara betreut hier in Denizli eine Baustelle und wohnt werktags auf dem Campingplatz. Er bietet mir rohe Köfte mit Schafskäse an, dazu einen Raki – perfekt.

Die 90 Kilometer zum Lake Salda zeigen ein anderes Bild der Türkei als das bislang gesehene. Ich würde das nicht als ärmlich oder rückständig bezeichnen – vielleicht eher als traditionell.

Den Leuten hier geht es wirtschaftlich nicht schlecht. Es stehen große Traktoren vor den Bauernhäusern aber alles in allem entspricht das doch eher dem Bild von Anatolien, das ich im Kopf hatte. Nimmt man die Kopftuchrate – hier 99 % – als Parameter, dann wird klar, dass die Türkei hier eine andere ist als rund um Istanbul, Ankara, Trabzon oder Izmir. Ob beide Teile harmonieren weiß ich noch nicht, aber schlecht gesprochen über die Landbevölkerung wird hier nicht, obwohl 70 % aller Türken in den 10 größten Städten des Landes wohnen.

Die türkischen Malediven: An den Ufern des Lake Salda, etwa 150 Kilometer nördlich von Antalya, sorgt kalkhaltiger Schlamm für beeindruckende Wasserfarben.

Am Lake Salda stehen wir frei: Die Solaranlage versorgt uns mit Strom, im See gibt es Süßwasser und für insgesamt 10 Euro haben wir in Salda Vorräte für 4 Tage eingekauft, inklusive einem Bund frischer Kichererbsen. Sehr angenehm: 1000 Meter über dem Meer geht die Temperatur nicht über 26 Grad und in der Nacht mussten wir unsere eingemotteten Decken wieder herauskramen.

Am zweiten Tag dösen wir grad so rum, als uns eine zehnköpfige türkische Familie aufmischt. Wir wissen kaum wie uns geschieht, da sind wir schon zum Abendessen eingeladen.

Die Kopdtuchfrage wird in der Türkei wesentlich unemotionaler geführt als bei uns.

Suleymann wohnt mit seinen Eltern und seiner Schwägerin in einem 3-stöckigen Haus. Die Familie hält zusammen, sonst würde es für den Tomatenzüchter und Frisör (im Winter) eng werden, die 5-köpfige Familie zu ernähren. Aber wenn es Gäste gibt, dann ist in türkischen Familien von Mangel nichts zu spüren. Wir unterhalten ins wirklich gut und staunen über die Weltoffenheit dieser Menschen

Zuhause bei Suleymann – für so viel Gastfreundschaft fehlen mir einfach die Worte.

Am nächsten Morgen müssen wir zum Frühstück kommen. In der Nacht zuvor hatte man uns von unserem Stellplatz vertrieben – übrigens das erste Mal während unserer Tour. Wir sind ein paar Meter weiter gefahren und alles war gut.

Ein türkisches Abendessen – so lecker…

Nach dem so ziemlich besten Frühstück, das ich bislang genießen durfte, gibt es eine Besichtigung der familieneigenen Tomatenzucht. Wir werden sofort eingespannt und helfen bis zum frühen Nachmittag. Es ist ein Knochenjob und für 8 Kilogramm Tomaten bekommt Suleyman einen Euro.

Am Lake Salda ist es so schön, dass man es fast nicht glauben kann…

Wir verabschieden uns von diesen herzlichen Menschen und finden auf dem Weg nach Antalya einen wunderschönen Stellplatz mitten im Wald. Einmal mehr preisen wir die Zuverlässigkeit der Apps, mit denen Fernreisende recht zuverlässig gute und sicherer Übernachtungsplätze finden. Wir nutzen Park4Night, merken aber, dass diese in Europa sehr populäre App in der Turkei kaum nochErgebnisse liefert und sind schon vor Wochen auf das von Offroad-Fahrern gestaltete IOverlander (sprich Eioverländer) umgestiegen. Die App führt uns zu einem Camyon mit gasklarem Wasser. Der Platz wird von 100ten von Türken zum Picknicken genutzt und die Holzkohle betriebenen Teekocher und Grills qualmen um die Wette.

Einen Grill und Fleisch dazu – Ohne diese Kombi ziehen die Türken in ihrer Freizeit nicht los. Und es sind immer mindestens 2 Generationen unterwegs.
Glasklares Wasser im Canyon…
Hier sind wir die Exoten – und die Leute freuen sich und begrüßen uns mit einer unglaublichen Herzlichkeit

In Antalya können wir endlich unser Tochter Ella in die Arme schließen. Wir machen jetzt erstmal Urlaub und fahren mit ihr nach Kas.

Prominenz in Kas: Michel trifft Donald Trump – oder zumindest seinen 4-beinigen Doppelgänger.

Thema Erdogan: Da gibt es viel zu berichten und ich freue mich schon auf die Diskussionen in Deutschland. Eins vorab: Es ist vieles nicht so, wie wir das in Deutschand sehen. Erdogan ist hier in allen Bevölkerungsgruppen ein Reizthema.

Antalya/Kas – Wohl eine der schönsten Küstenstraßen der Welt…

Noch mehr und immer aktuelle Bilder finden auf https://www.instagram.com/schmallenbergudo

Kaputaj Beach – noch so ein Superlativ
Meerjungfrauen inklusive – Badeurlaub hat hier schon eine hohe Qualität. Andererseits: In einem ferienhotel möchte ich hier nicht eingepfercht sein. Kaputaj Beach z.B. ist nur mit dem Auto zu erreichen.

Und “Essen in der Türkei” ? Auch der Hammer

Nach 5 Tagen AirBnB reicht es dann auch mal. Morgen geht es wieder auf die Piste und nachdem wir Ella Mittwochfrüh am Flughafen abgeliefert haben werden, geht es direkt nach Kapadokien und von da aus entweder nach Samsun oder nach Trabzon – auf jeden Fall ans Schwarze Meer. Am meisten freue ich mich, im Norden der Türkei wieder auf die “Aussteigerroute” zu stoßen und mal wieder Gleichgesinnte zu treffen und mit ihnen über Reiseziele zu reden.

Lieblingsplatz: Eine kleine Bucht 5 Kilometer östlich des etwas stressigen und auch ziemlich überteuerten Kas.

Am letzten Tag in Kas haben wir einen Tauchkurs gebucht – sind schon ganz aufgeregt.

Ein Hammererlebnis: Das Wasser ist kristallklar und es gibt eine unglaubliche Artenvielfat an Fischen zu sehe

Mittlerweile haben wir Ella wieder am Flughafen abgeliefert und sind auf dem Weg in den Norden. Nach rund 500 Kilometern durch das türkische Hochland erreichen wir Kapadokien und sind schon von den ersten Eindrücken geflasht – wie muss das erst im Zentrum z.B. in Göreme aussehen. Unser Stellplatz ist wohl bei türkischen Hochzeitspaaren beliebt und wir dürfen als Glücksbringer mit auf das Bild.

Wir haben hier in den letzten 5 Tagen so viel erlebt, dass ich hier kaum hinterherkomme. Hier den jeweils letzten Stand sehen.

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Da gibt es auch Videos vom Tauchen und viele Dinge, die ich hier einfach zeitmäßig nicht verarbeiten kann.

Vom Ihlara-Tal fahren wir ins Zentrum Kapadokiens und besichtigen unterirdische Städte, christliche Felsenkirchen. Am meisten staunen wir allerdings über diese unvergleichbaren Felsformationen, die sich teils wie steinerne Zipfelmützen aneinanderreihen.

Die Jungs vom örtlichen Offroad-Club transportiert hauptsächlich fernöstliche Kundschaft über Stock und Stein von einer Sehenswürdigkeit zur anderen. Wummernde Bässe begleiten die Asiaten auf jeder Station und zum Sundowning gibts Schampus unter großem Gekreische. Wir beobachten das von unserem Stellplatz aus und staunen über diesen Culture Clash.

Der Sonnenuntergang ist unvergleichlich – und lässt Fotos hier zwangsläufig wie gemalt aussehen.

Am nächsten Morgen – wie jeden Morgen – steigen hunderte von Ballonen auf und sorgen für unfassbare Fotomotive.

Nach dem Frühstück würden wir gerne die Kirchen in der Museumsstadt Göreme ansehen, aber die Art und Weise wie die Touristen hier mit sakralen Stätten umgeht stößt uns irgendwie ab. Wir besichtigen ein kleines Felsenkirchlein abseits der Touristenströme und bekommen einen Eindruck davon – wie Urchristen und Kreuzfahrer hier im Schutz der Felsen ihre Religion ausgeübt haben. Die “Undergroundcitys” sollen angeblich bis zu 10.000 Menschen Schutz geboten haben. Die langen Tunnelanlagen konnten mit großen Felsen verschlossen werden.

Viele Felsenkammern werden heutefür die Gastronomie genutzt.

Wir entfliehen dem kaum erträglichen Touristentrubel Richtung Osten und Sylvia hat einen tollen Stellplatz bei “IOverlander” gefunden. “Direkt am See da können wir uns endlich mal wieder richtig waschen!” Der See entpuppt sich als ebenso malerisch wie lebensfeindlich und ist im Sommer von einer 30 Zentimeter dicken Salzkruste bedeckt. Wir tanken Ruhe in der Einsamkeit und freuen uns auf unsere letzten Tage in der Türkei.

Lake Tuz: Der zweitgrößte See der Türkei ist 900 Meter tief und im Sommer von einer dicken Salzkruste bedeckt. Der Lake Tuzla ist deutlich kleiner .

Was uns hier immer wieder fasziniert ist die Offenheit und Freundlichkeit der Menschen, obwohl die Türkei immer wieder Stereotype bedient – aber das macht das land auch liebenswert und verstärkt den “orientalischen Chararakter”.

Ein Laden aus 1000 und einer Nacht, natürlich gibt es sowas auch.

Der Unfall

Nach unserem Abschied von Kapadokien sind wir zum Tuzlasee gefahren, auch um unsere Wasser Wasservorräte aufzufrischen. Leider ist der Tuzlasee ein Salzsee und im Sommer von einer dicken Kruste bedeckt. Am nächsten morgen stand also Wasser-Suchen auf dem Programm. Auf dem Weg nach Darende ereignete sich dann ein ein ziemlich heftiger Verkehrsunfall. Wir blieben zum Glück unverletzt, aber es gibt grad so viel zu organisieren, dass ich kaum dazu komme, die Homepage zu pflegen. Ich wäre euch sehr dankbar, wenn ihr für ein paar Tage auf Instagram schauen würdet, was gerade los ist. https://www.instagram.com/schmallenbergudo

Die Zeit nach dem Unfall – oder wie wir lernten, ein neues Verhältnis zur Zeit zu entwickeln

Es ist Dienstag, Tag 3 nach dem Unfall und wir sind mit einem Leihwagen in Ostanatolien unterwegs.

Wir sind hier in der Region Komagene am Euphrat tief im Kurdenland angekommen und die Menschen sind sehr arm hier. Wir sehen junge Frauen, die mächtige Bündel Grünzeug von den Feldern in die Ställe schleppe, während kleine Kinder sich mit 5-Liter-Kanistern Trinkwasser abmühen, das offensichtlich zu den Wohnungen transportiert werden muss. Hier ist es schon ein Job, den ganzen Tag auf eine Kuh aufzupassen oder mit einem Eselchen Heuballen von A nach B zu transportieren. Auf einem Feld zieht ein Pferd einen Pflug und die ganze Familie steht drumherum und schaut zu.

Auf einem Bergpass werden wir von der Militärpolizei kontrolliert. Das ist Alltag in der Türkei und passiert mindestens einmal am Tag. Die Soldaten sind grundsätzlich in voller Montur mit dem Gewehr am Anschlag – aber immer sehr freundlich, meist noch sehr jung. Auf dem Gipfel hat es sich eine Gruppe um ein paar echte Veteranen mit Teekochern unter einer Zeltplane gemütlich gemacht. Trotz aller Gelassenheit werden wir genau kontrolliert. Wir sind 400 Kilometer von der syrischen Grenze unterwegs im Kurdenland.

Kurz vor dem Mount Nemrut erreichen wir die “Kervanseray” und werden daran erinnert, dass die Region der einzig sicherer Platz für Handel Treibende auf der Seidenstraße war, wenn es mal wieder Streit zwischen Römern und Persern gab.

In Richtung Nemrut Dhagi wird die Straße immer schlechter, obwohl es sich bei den Monumenten auf dem 2100 Meter hohen Berggipfel um die bedeutende Überreste des Königs Antiochos handelt, der zur Zeit Christi Geburt hier am Euphrat eine wichtige Position am Berührundgpunkt der damaligen Weltmächte Rom und Persien einnahm und durch Handel zu großem Reichtum kam.

Heute ist Osman Wirt der Kervanseray und er fragt mich: “Was wollen die Europäer und Amerikaner hier?” So wie ich es langsam verstehe ist die Türkei der Meinung, dass die Problemlage zwischen Euphrat und Tigris nicht Sache der Amerikaner sei. Erdogan sei der einzige, der sich in diesen Zeiten den Europäern und Amerikanern entgegenstelle. Wieder merke ich, dass wir es uns in Deutschland viel zu einfach machen, wenn wir die Türkei in “gut und böse” oder “Für oder gegen Erdogan” aufteilen. Das funktioniert hier nicht.

Am zweiten Tag in der Kerwanseray fassen wir den Entschluss, an diesem magischen Ort die Reparatur unseres Autos abzuwarten und handeln mit Osmann einen angemessenen Preis aus. Für 50 Euro bekommen wir Vollpension und können sein Auto nutzen wenn wir wollen. Der Archäologe und Nemrut-Experte Anne aus Holland bietet an, uns aus Malatya abzuholen, nachdem er seinen Kumpel Kaes zum Flughafen gebracht hat. Wir nehmen dankbar an und akzeptieren, dass Osmann beleidigt ist, weil er das hätte machen müssen: “Ihr seid Familie, keine Gäste!”

Das Hotel Kerwanseray – Unser Heimat für die nächsten Wochen…

Insgesamt sind wir an diesem Tag rund 600 Kilometer unterwegs, nur um den viel zu teuren Leihwagen (50 Euro/Tag) wieder abzugeben. In der Werkstatt erfahren wir, das es unter Umständen einen Monat dauern kann, bis alle Ersatzteile beisammen sind.

Osmanns Zwillinge lassen uns nicht aus den Augen.

Abends lädt uns Osmanns Schwester, die uns begleitet, zum Abendessen an einem durch den Atatürk-Damm aufgestauten Nebenarm des Euphrats in Kahta ein. Kurz vor 11 kommen wir wieder zu Hause an und Osmann hat sich wieder beruhigt. Anne erzählt mir die unglaubliche Geschichte des Mount Nemrut und hilft mir dabei, wieder ein Stück aktuelle türkische Geschichte, Politik und Lebensart zu begreifen. Dem Mount Nemrut werde ich noch ein komplettes Kapitel widmen.

Überall auf unserem Weg werden wir auf einen türkischen Tee eingeladen.

“Pass auf, hier gibt es Schlangen und Skorpione!” Warnt mich Anne, als ich frühmorgens mit Michel ums Haus streiche. Das ist hier alles so fremd, dass ich zum ersten Mal wirklich intensiv das Gefühl habe, im Orient gelandet zu sein. Den sympathischen Holländer nenne ich nur noch “Indiana”… Seine Website: www.vertellervanhetoude.nl

Mit Dr. Jones unterwegs in einem Grabkammersystem hoch über dem Euphrat. Anne ist fast sicher, dass die Anlage mit Antiochos I in Verbindung gebracht werden kann.
Beim Barbier in Kahta: Anne und ich zahlen 8 Euro für eine Rundum-Gesichtsbehandlung und sehen anschließend wirklich gut aus 😉

Ich fahre mit Anne nach Kahta, weil er sich nach einer abgeheilten Verletzung, die er sich beim Abstieg in eine römische Grabkammer zugezogen hat, die Fäden ziehen lassen muss. Sowas wird in der Türkei vom pensionierten Onkel des Apothekers gemacht. Er sieht zwar kaum was, kriegt aber mit meiner Hilfe doch irgendwie die Fäden zu fassen. Anschließend lassen wir uns beim Barbier “das Gesicht machen”!

In Kahta sind wir die Touristen – die beiden jungen Leute sind froh, Englisch sprechen zu dürfen

Es ist Montag, 5. August 2019, und heute werden wir wohl endlich erfahren, wie es mit unserem Auto weitergeht – 9 Tage nach dem Unfall werden heute – wenn alles gut geht – die Teile bestellt. Das kann im schlimmsten Fall einen Monat dauern, da einige wichtige Sachen in der Türkei nicht auf Lager sind. Von diesen Informationen hängt ab, wie es weitergehen wird. Wir haben unser Zimmer in der Kervansaray bis Freitag gebucht und müssen dann sehen, wie wir unsere Tour fortsetzen.

Freitag verlässt uns Anne und ohne den kann ich es mir hier nicht vorstellen, also werden wir auch weiterfahren. Unser Plan ist, erst einmal nach Kahta zu fachren und uns hier neu zu organisieren. Der Plan, mit mit einem Leihwagen das Land zu erkunden schlägt fehl, weil wegen des kurdischen Schlachtfestes alle Autos belegt sind. Wir gehen jetzt nach Kahta ins Hotel bis wir ein Auto haben. Für diesen Tripp haben wir jetzt 4 Wochen eingeplant, bis dahin sollte das Auto fertig sein und wir können uns dann ganz intensiv Armenien vornehmen. Den Bus nach Tiflis können wir vergessen, weil öffentliche Verkehrsmittel in der Türkei keine Hunde transportieren.

Nach 5 Tagen rumgammeln brauchen wir und der Hund etwas Bewegung. Wir laufen zum Gipfel des Nemrud. Hin- und zurück etwa 20 Kilometer
Die Ostterrasse zeigt noch die die Rümpfe der Statuen – allerdings sind die Köpfe kleiner als auf der Westterrasse.
Gottkönig Antiochos I Teos

Während der kommenden Tage in der Kervansaray werden wir tief in einen seit Jahren schwelenden Familienstreit hineingezogen. Das endet damit, dass unser holländischer Freund Anne – ein “Bremer” (türkisch für “Bruder”) des verstorbenen Hotelgründers auf unserem gemeinsamen Weg nach Kahta von der Polizei angehalten und verhört wird, weil er angeblich die Zeche geprellt haben soll. Zum Glück kann er die Reise zum Flughafen fortsetzen, nachdem die Familienältesten sich für ihn eingesetzt haben. Wir hatten zuvor eine Stunde mit Osmann gestritten, was wir für die Biere am Abend bezahlen sollen und warum Tee nicht – wie üblich in der Türkei – umsonst ist.

Uns ist das alles immer noch sehr fremd, aber ich merke, wie ich so langsam in diese Kultur hineingleite. Als normaler Durchschnitts-Antalya-Touristen hätten wir diese Situation nicht klären können.

Wir sind jetzt im Hotel “Kommagene” in Kahta, zahlen 20 Euro für’s Doppelzimmer mit Frühstück (50 Euro in der Kervansaray mit Vollpension) und werden hier wohl nicht die Reparatur des Autos abwarten Wir laufen in die Stadt, um doch noch zu versuchen, einen Leihwagen zu bekommen, trotz Bayramfest.

Sylvia fragt sich nach einem Damen-Friseursalon durch. Gar nicht so einfach in einer Stadt, in der es gefühlt 50 Herrenbarbiere und friseure gibt. Sait hilft uns und wärhend Sylvia in einem versteckten Seitenstraßen-Hinterzimmer die Haare gemacht bekommt, verhandle ich mit einem Autoverleiher in der Nachbarschaft um einen Leihwagen. Das Auto ist fast neu und soll 45 Euro kosten. Eigentlich ein guter Preis, aber genauso eigentlich brauche ich gar nicht so ein neues Auto. Ich will nicht mehr als 20 zahlen und frage, ob er kein kleineres Auto hat. Hat er nicht, wegen Bayram. Ich sage ihm dass ich 20 Euro, also etwa 120 türkische Lira bezahlen würde.

Man spürt, dass er für das bevorstehende Fest Geld braucht und er bietet mit 170 Lira an. Sait flüstert mir zu: “Sag 160” und Özal der kurdische Autoverkäufer willigt brummelnd ein. Ich hab jetzt für 25 Euro am Tag ein Super-Auto.

Halbgötter unter sich: Antiochos und Herakles sind auf diesem Handshake-Relief zu sehen. Die mächtige Tafel ist zentrales Element der Kultstätte Arsameia.

In den nächsten Tagen sind wir auf Antiochos Spuren unterwegs und besuchen die klassischen Stationen der Nemrut-Tour: Arsameia, die Römische Brücke und Karrakus, das Grabmal von Antiochos letzter Königin. Es ist teilweise bis zu 45 Grad heiß, aber die steinernen Monumente ziehen uns doch in ihren Bann.

An der Römischen gruppe haben wir wieder intensiven Menschenkontakt. Unseren Michel lieben hier alle.

Wir brechen auf zu unserer Süd-Ost-Anatolien-Rundfahrt, müssen uns aber zuerst von Tulays Familie verabschieden, was am Haupttag des Bayram-Festes nicht ganz so einfach ist. Gastfreundschaft ist in diesen Tagen besonders wichtig.

Hinter dem Haus werden zwei Hammel geschlachtet . Ob und wie das viele Fleisch mit den Armen geteilt wird wissen wir nicht – eigentlich ist das die Tradition des Türkischen Opferfestes.

Nun geht es über Dyabakir in den Süden und nach einem Tag Fahrt erreichen wir Mardin. In der Altstadt kriegen wir eine Hotelabsage nach der anderen: “No pets allowed!” Irgendwann klappt es dann doch: Ein Hotel hat ein Extrazimmer für Hunde, und das ist frei und bezahlbar. Hinter den dicken und 900 Jahre alten Mauern tauchen wir ein in ein Märchen aus 1000 und einer Nacht.

Am Horizont müsste Syrien sichtbar sein – unvorstellbar, dass nur ein paar Kilometer vondiesem friedlichen Ort Krieg herrscht.

Emre ist im Hotel für die Gästebetreuung zuständig und bietet uns eine persönliche Stadtführung an. Wir nehmen das gerne an und tauchen ganz tief in die Geschichte dieses Ortes ein. Wir erfahren, dass der Turm der großen Moschee von den Mongolen geschliffen wurde und dass Teile der Stadt über 1000 Jahre alt sind.

Am Abend gehen wir auf eigene Faust essen und fallen auf die Nase dabei: Für ein mittelmäßiges Fastfoodmenue berechnet man 220 Türkische Lira, also etwa 30 Euro, mehr als doppelt so viel, wie das Essen wert war. Zumindest bei der Abrechnung konnten wir noch 40 Lira rausholen, weil die sich schlichtweg schlampig verrechnet hatten – trotzdem ärgerlich. Für die nächste Touristenfalle sind wir gewappnet.

Am nächsten morgen brechen wir auf und reisen weiter Richtung Osten. Die Schilder weisen den Weg in den Iran – leider ist ohne Visa nix zu machen, in den Irak können wir mit unserem türkischen Auto auch nicht und die Armeniengrenze ist seit der Selbständigkeit Armeniens eh geschlossen. Also gebietet uns der mächtige Ararat die aktuellen Grenzen der Reisefreiheit.

Auf dem Weg zum Hl. Berg der Armenier passieren wir einen 2800 Meter hohen Pass. Es ist schon dämmerig und Fahren ist hier echt Konzentrationssache. Weil ich plötzlich die Straße nicht mehr sehe trete ich voll in die Bremsen und komme mitten in einer Schafherde zum Stehen. Die Hirtenkinder winken uns zu und rings um uns her mäht es fröhlich. Nicht auszudenken, wenn wir hier mit hoher Geschwindigkeit reingerauscht wären. Schutzengel – mal sind sie da, mal nicht…

Aus fast 50 Kilometer Entfernung ist der mächtige Ararat gut zu sehen. Im Hotel erfahren wir, dass man ohne Guide und “Sport-Visa” nicht mal in die Nähe des Berges kommt. Es gibt hier angeblich offene Auseinandersetzungen mit der kurdischen PKK – da will man nicht noch unbedingt Touristen um die Beine haben. Fragt man die Leute auf der Straße, dann glauben die nicht an diese Version. Man ist eher der Meinung, dass man der Kurdenregion den Aufbau einer rentierlichen Tourismusindustrie nicht zubilligen möchte. Wie immer liegt die Wahrheit wohl irgendwo dazwischen.

Auf den Straßen alle 500 Meter ein Militärposten, junge Burschen posieren hemdsärmelig mit dem Maschinengewehr aus deutscher Produktion über der Schulter am Straßenrand, die Einsatzfahrzeuge wirken auch einsatzbereit. Das alles wirkt nicht unbedingt bedrohlich, trotzdem spürt man mit jedem Kilometer, dass man sich den aktuellen Brennpunkten des Weltgeschehens nähert. Wie im Rest der Türkei auch: Wikipedia gibt’s hier nicht…

Abends schlendern wir durch die Stadt und dank Michel werden wir hier sofort als Exoten erkannt und entsprechend beobachtet. Da wir kein Restaurant finden, in das wir Michel mitnehmen dürfen, holen wir uns was “auf die Hand”, einen Ayran dazu – reicht! Besonders auffällig: Das öffentliche Leben wird hier zu 99 % von Männern bestimmt. Die Frauen scheinen darüber nicht unglücklich zu sein, aber manchmal frage ich mich: “Für wen posen diese ganzen Gockel eigentlich?” Nach 8 kommen hier 100 Männer auf eine Frau.

Unseren 2. Tag am Ararat verbringen wir mit unzähligen Cay in einem Straßencafe. Wir lernen einen Tourguide kennen, der mit uns für 100 Dollar pro Person bis auf 3200 Meter wandern würde und diskutieren mit den Türken darüber, ob man den Bettlern Geld geben sollte oder nicht. Ihre Meinung ist eindeutig: Ein erfahrener Bettler macht um die 150 Lira am Tag, Mitleid ist da fehl am Platz. Aber es nervt: Kinder und Jugendliche prügeln sich auf offner Straße um Reviergrenzen und es hört einfach nicht auf – man wird alle 10 Meter angebettelt.

Der gesamte Ararat ist militärisches Sperrgebiet – ich denke, selbst ihn zu fotografieren ist verboten. Die Besteigung mit einem Guide kostet etwa 400 Euro.

Wir flüchten und schauen uns die Hauptsehenswürdigkeit der Region an, den Ishak Pasha Palast. Das monumentale Gebäude wurde auf dem Niveau eines Neubaus restauriert und hat sicherlich dadurch einiges an Charme eingebüsst. Auch das ist typisch Türkei: entweder sie lassen ihre Ruinen zerfallen, oder sie restaurieren sie völlig über Bedarf. Für ein Hammer-Sunset-Photo reicht’s aber allemal.

Auf dem Rückweg essen wir hervorragend für 60 Lira (13 Euro) und staunen über den Weihnachtsschmuck in der Stadt.

Während ich fotografiere kommt ein Militärpolizist mit Maschinengewehr auf mich zu und wil kontrollieren, ob ich militärische Einrichtungen oder Personen fotografiert habe. Das ist hier permanenter Ausnahmezustand. Aber die “Jandarma” ist stets korrekt und freundlich. Über die türkische Militär-Polizei hören wir während unserer gesamten Reise kein böses Wort aus türkischem Mund.

Zurück im Hotel treffen wir Ray aus Neuseeland und seinen iranischen Tourguide Hossein.

” Grenzgänger: “Mr. Hosseinbringt sogenannte “Overlander” über die iranische Grenze. Ray aus New Zealand nimmt das gern in Anspruch – und hat auch das Geld dazu.

Hossein gibt uns seine Telefonnummer und sein Versprechen, dass er uns in den Iran bringen kann – Anruf genügt.

So froh wir auch sind, mit Dogubayazit wohl die typischste aller Kurdenstädte im Osten der Türkei intensiv kennengelernt zu haben, so froh sind wir auch, hier wieder wegzukommen. Für mich hat sich hier hier ein Paradoxum entschlüsselt. Ich weiß jetzt, warum der arme Osten zu den Stützen der AKP gehört. Das hat nichts mit Politik zu tun, man wählt hier aus religiösen Motiven und zwar genau die Partei, die für die Beibehaltung und Regeneration der alten Werte steht. So konnte die CDU in Deutschland zu einer Volkspartei werden. Ein Rezept für alle Zeiten ist das sicher nicht.

Verschleiererung wirkt hier nicht fremd oder bedrohlich – selbst in der hintersten Kurdenstadt dürfen sich Mädchen kleiden wie sie wollen – auch schleierlos. Vielen gefällt das nicht…

Ob hier neue Straßen gebaut werden oder nicht, das steht hier gar nicht zur Diskussion. Es geht um die Wahrung einer ausschließlich von Männern dominierten Gesellschaftsform. Dass sich an der Vorherrschaft der Männer nichts ändert, dafür steht die AKP und dafür wird wird Erdogan selbst von den Kurden gewählt, die ansonsten nicht viel von ihm zu erwarten haben. Dieser Knoten lässt sich nicht auf die Schnelle lösen vor allem nicht durch Druck aus dem Westen.

Bei “Ararat Carpets” erfahren wir viel über Land und Leute. Hier werden Web-Kurse angeboten, damit Mädchen und Frauen der armen Landbevölkerung ein Auskommen haben und eine uralte Handwerkskunst erhalten bleibt.

Wunderschöne Teppiche – und die Herstellung eingebunden in ein soziales Projekt.

Wir erleben hier unglaublich viel – zum Glück haben wir ein Auto. Mobilität ist hier ein großes Thema und um mit dem Minibus von A nach B zu kommen, braucht es gute Nerven. Das Autofahren in den Städten Ost-Anatoliens ist nichts für Weicheier. Wichtig: Man muss in Bewegung bleiben- wer stehenbleibt hat verloren und kommt nicht mehr vom Fleck. Das geht nicht übertrieben hektisch zu, aber man muss mit allem rechnen. Es wimmelt hier von selbstgebauten Transportmitteln und es interessiert wirklich niemanden, ob Verkehrsregeln eingehalten werden oder nicht. Verkehrspolizei, also die Trafic Polis , habe ich in ganz Ostanalolien nicht gesehen. Die hat sowieso eher “Hostessen-Status” und steht meilenweit unterhalb der Jandarma.

Unser Leihwagen hat viel zu tun: Mit 70 KW quält sich der Fiat über die Pässe, die hier alle jenseits der 2000 Höhenmeter liegen.

Wir fallen hier als Europäer mächtig auf. Unser Michel teilt die Massen in der Fußgängerzone wie Mose das Rote Meer. Hunde als Haustiere gibt es hier nicht. Das Thema “Armenien” wird hier – im Gegensatz zur Resttürkei – nicht tabuisiert. Ich erfahre viel über die Entstehung des Streites und kann auch langsam nachvollziehen, warum sich die Türkei gegen Verallgemeinerungen in der Genozid-Debatte wehrt. So ist z.B. der Anteil der kurdischen Milizen und deren Bereicherung am Vermögen vertriebener oder ermordeter Armenier in Deutschland weitgehend nicht bekannt.

Etwa 100 Kilometer vor Trabzon ändert sich die Vegetation mit einem Schlag – feuchter Nebel wabert aus den Tälern und die Temperatur sinkt um fast 20 Grad

-Marke. Auf einer der Ost/West-Hauptrouten für Rauschgift geraten wir in eine Kontrolle der türkischen Drogen-Fahnder. Wir werden intensiv gefilzt.

Ohne Tripadvisor wären wir hier verloren und würden solche Perlen wie das Tehran Hotel nicht finden

Wieder fällt mir auf, dass wir den Militär- und Polizei-Apparat der Türkei nicht mit unseren Maßstäben messen können. Die stecken mittendrin, haben nicht wirklich gute Verhältnisse zu ihren Nachbarn und innen- wie außenpolitisch nicht einfache Gemengelagen zu verarbeiten. Wir müssen unsere Grenzen nicht schützen – vor wem denn auch? Den Belgiern? Hier sieht das etwas anders aus.

Die Mädchen hier sind total offen und selbstbewusst – ob sie frei über ihre Zukunft entscheiden können? Ich weiß es nicht.

In Macka finden wir ein Hotel, in dem wirklich niemand einen Brocken Englisch oder Deutsch spricht. Das ist schon eine Herausforderung. Zum Glück können andere Gäste übersetzen – sonst müssten wir verhungern…

Apropos verhungern: Das ist hier das kleinste Problem!

Rund um Trabzon gibt es interessante Klöster und Kirchen zu besichtigen. Ab Mitte kommender Woche werden wir dann wieder zum Nemrut ziehen, wo wir bei Tulays Familie ein kleines bischen Heimatgefühl auftanken wollen. Im Euphrat-Hotel konnten wir einen guten Rabatt aushandeln und hier werden wir dann endgültig die Reparatur des Campers abwarten.

In Macka platzen wir in eine türkische Hochzeit hinein – wie man ohne Alkohol schon am frühen Morgen über Tische und Bänke gehen kann, bleibt ein türkisches Geheimnis.
Alles so schön bunt hier…

Es regnet in Strömen und die Landschaft 40 Kilometer von der Schwarzmeermetropole Trabzon wirkt mit tief hängenden Wolken und dichterVegetation wie ein Urwald am Amazonas.

Die kleinen Läden sind ein Paradies für Shopping-Queens und das alles kostet fast gar nichts…

Wir fahren nach Macka und lernen hier wieder unglaublich viele nette Menschen kennen.Wir fühlen und auf Anhieb wohl, denn diese Stadt verströmt etwas Westliches. Keine “Gruppen junger Männer”, die aufgebrezelt den Macho machen, gepflegte Läden und eine liebenswerte Betriebsamkeit. Die Frauen sind zum allergrößten Teil unverschleiert und es gibt mindestens ebensoviel Damen- wie Herrenfriseure. Trotz bleibt es türkisch. Hier kuckt sich niemand den Schaden an, wenn beim Ausparken mal was verbeult wird. Falsch rum in die Einbahnstraße? Alles kein Problem…

Trabzon Spor-Fan Turan zeigt mir stolz seinen Laden. Was anderes als Cay gibt es nicht.

Die Cay, die wir trinken, bezahlen wir höchst selten. Meist übernimmt ein netter Nachbar mit feundlicher Hand-auf’s-Herz-Geste die Rechnung. Auf der Straße tummeln sich zig Nationen. Wir sehen Nummernschilder aus der Schweiz, Azerbeidschan, Iran, England etc.

So wickelt man Schafwolle auf: Sylvia nimmt gern eine Nachhilfestunde.

Wie ich da so sitze und meinen Cay schlürfe fällt mir auf, wie unsinnig Vorurteile anderen Nationen gegenüber sind: “Kein Volk der Welt empfängt seine Gäste mit einem Messer zwischen den Zähnen!”

Spektakulärer Bauplatz: Das Kloster Sümeli wird derzeit aufwändig restauriert

Auch am zweiten Tag ist das Wetter nicht viel besser, aber wir kommen wenigstens trockenen Fußes am Kloster an. Hier merken wir schnell, dass der Touristenmagnet zum Einzugsgebiet von Trabzon gehört, wo es neben russischen Gästen auch viele Touristen aus Oman und Quatar gibt. Ich habe niemals so viele vollverschleierte Frauen gesehen und echt viel zu dicke Männer gesehen. Insbesondere Kinder und Jugendliche aus Quatar werden anscheinend richtig gemästet.

Das kleine Mädel kommt aus Azerbeidschan – ganz genau weiß ich es nicht.

Wir lernen sehr aufgeschlossene Menschen aus Oman kennen, sind aber auch teils echt befangen, wenn uns Gruppen vollverschleierter Frauen entgegenkommen, angeführt von einem echt dicken Mann in Jogginghose.

Unser Michel ist hier ein Star!

Trotz all dieser Widersprüchlichkeiten ist dies ein inspirierender Ort, an dem sich viele Kulturen begegnen. Ich habe das Gefühl, dass ich den Menschen viel besser und offener begegnen kann als noch vor einem Jahr.

Die Mädchen aus Oman sprechen fließend Englisch.

Zur Vollverschleierung habe ich mittlerweile eine klare Haltung: Für mich ist das seelische Körperverletzung und gehört verboten. In der Türkei wird man das nicht mehr oft sehen und Vollverschleierung ist meist Erkennungszeichen arabischer Touristinnen. Was wir tun können? Aufhören, das als Teil einer kulturellen Identität zu sehen und Stellung beziehen. Vollverschleierung ist Diskriminierung.

Mardin, Dyabakir, Van – die Liste der abgesetzten Bürgermeister prokurdischer Städte liest sich wie unsere aktuelle Reiseroute. Alle drei Städte verfügen über eine für kurdische Städte untypisch hohe Wirtschaftskraft und ein großes kurdisches Bewusstsein. Dass hier PKK-Anhänger in den Rathäusern sitzen bezweifle ich. Die Kurden wollen in Ruhe ihre traditionelle Lebensart pflegen. Ich hab mit den Leuten geredet – Terroristen sind das hier nicht, ganz im Gegenteil.

Bleibt man länger als eine Nacht im Hotel, dann gehört man mehr oder weniger zur Familie

Nach Macka haben wir auf dem Weg zurück nach Malatya in Erzincan Station eingelegt. Wir haben ein Zimmer für 16 Euro die Nacht – nicht das Hilton aber sauber und der Hund darf mit. Das ist in der Türkei leider keine Selbstverständlichkeit.

Erzincan ist eine erstaunlich modern-türkisch orientierte Mittelstadt mit rund 100.000 Einwohnern. Hier gibt es mehr Damen- als Herrenfriseure, was ein guter Parameter für das Selbstbewusstsein der Frauen hier ist. Das erinnert mich hier an Lippstadt oder Bielefeld, etwas quirliger vielleicht, aber schon sehr lebenswert – auch mit europäischen Ansprüchen gemessen. Diese Unterschiedlichkeit macht für mich den Reiz der Türkei aus. Später erfahre ich, dass Erzincan die Heimatstadt der Nummer 2 in der AKP ist

Erzincan – eine total liebenswürdige Stadt mitten im anatolischen Hochland – das kam für uns sehr unerwartet.

Dabei kommen aber auch Kilometer zusammen: In den 10 Tagen haben wir knapp 3000 Kilometer mit unserem Leihwagen abgespult. Wer mit dem Flieger nach Antalya reist und nach 10 Tagen Strandbar wieder zurück, der hat von der Türkei weniger mitbekommen, als würde er in Neukölln einen Döner kaufen.

Update zum Auto: Alle Ersatzteile sind da und die schlechteteste Prognose lautet: 14 Tage.

In Dyabakir ist die Militärpolizei massiv mit Waserwerfern und Schlagstöcken gegen Demonstranten vorgegangen. Schon komisch, dass wir da vor einer Woche noch durchgefahren sind. Die Oppositionsparteien sehen das natürlich kritisch. Als Urlauber kann ich grad mal nicht mehr dazu sagen.

Auf dem Weg nach Malatya sind wir heute in einen echten Hochlandsturm geraten . Nach 40 Kilometern Schotterpiste sind wir an einer Fähre über einen Staudamm angekommen. Wegen des Sturms müssen wir 2 Stunden warten, denn einen anderen Weg gibt es nicht. Wer die Fähre nicht nimmt muss knapp 200 Kilometer Umweg fahren.

Nach einer Übernachtung in Malatya haben wir bei Ford vorbeigeschaut. Die Ersatzteile sind alle da und angeblich soll das Auto in 10 Tagen fertig sein. Die machen mir allerdings nicht den Eindruck, als würden sie mich mit besonderer Priorität behandeln.. Positiv: Ich konnte die Kabine abbauen und so wie’s aussieht gibt es außer dem enormen Wertverlust zumindest keine großen Schäden, die vor der Weiterfahrt repariert werden müssten. Auch die Haltepunkte scheinen alle stabil zu sein

Wir fahren noch kurz in die Stadt um die Lesebrille für Tulays Mutter Fatma zu besorgen. Ein Optiker muss uns enttäuschen: Lesebrillen gibt es hier nur auf Anfertigung, also nicht für 3 Euro im Supermarkt. Aber als er Fatmas Geschichte hört, schenkt er uns eine Brille. Dieses sich Einsetzen für arme Menschen ist Teil der türkischen Wesensart.

Wir fahren mit dem Leihwagen weiter zum Nemrut und freuen uns diebisch, eine Anfahrt unter 100 Kilometern gefunden zu haben. Nach einer Anfahrt durch eine absolut malerische Landschaft stehen wir nach drei Stunden am Fuß des majestätischen Berges 10 Kilometer von unserem Ziel Karadut entfernt. Zu unserem Entsetzen geht es nicht weiter! Die Straße endet an dieser Seite des Nemruts ebenso, wie sie es auf der anderen Seite tut. Wir könnten zu Fuß zum Hotel laufen oder zurückfahren und rund 50 Kilometer um den Berg herumfahren.

Irgendwann kommen wir dann mit dem letzten Tropfen Benzin bei Tulays Familie an. Die Kinder freuen sich riesig über ihre kleinen Geschenke.

Ich habe wirklich Vertrauen in die Leute – aber auf’s Gas drücken tun sie leider nicht…

Heute ist Samstag, der 24. August. Am kommenden Freitag soll unser Auto fertig sein. Hier im Euphrat-Hotel kann man es aushalten, vor allem, weil unser Hund hier ein freies Leben führen kann und Sylvia voll und ganz damit beschäftigt ist, den Zwillingen das Schwimmen beizubringen. Jeden Abend treffen wir neue Leute aus aller Herren Länder und erfahren viel über die Welt.

Trotzdem wird uns die Zeit hier lang. Ein netter türkischer Gast fährt am Dienstag zurück nach Malatya und wir nehmen sein Mitnahmeangebot gern an. Auch auf die Gefahr hin, dass das Auto am Freitag nicht fertig ist, buchen wir bis Donnerstag in einem 5-Sterne-Hotel. Das ist nicht teurer als dieser Berggasthof, aber deutlich angenehmer.

Und wieder etwas dazugelernt: Wenn einer sagt er nimmt dich mit, dann musst du dich nicht wundern, wenn er auf einmal verschwunden ist. Aber: Das Hotel in Malatya ist gebucht und wir müssen irgendwie dahinhommen. Im Minibus von Memet, der Tulays Mutter Fatma zum Arzt nach Adiyaman fährt ist noch Platz. Um 8 wird pünktlich losgefahren, aber nicht in die Provinzhauptstadt sondern erstmal kreuz und quer durchs Karadut um dieses und jenes einzuladen. Tulays Onkel kommt mit, weil er sonst nichts zu tun hat, Rassul und seine Frau fahren zur Hochzeit ihrer Tochter nach Eidan mit, wohin die alte Frau hinwill weiß kein Mensch. Am Ende ist das Auto voll und los geht’s .

Fatma hat mit 14 ihr erstes von 7 Kindern bekommen. Sie ist heute so alt wie ich, aber die harte Arbeit, die unwirtlichen Lebensumstände hier auf knapp 2000 Metern Höhe und vielleicht auch eine medizinische Unterversorgung haben deutliche Spuren hinterlassen. Wenn sie zum Arzt fährt wegen ihrer Rückenschmerzen und dafür ans Ersparte muss, dann wird das wirklich wehtun. Wir hoffen, dass wir ihr mit der Lesebrille wenigstens das Handarbeiten wieder ermöglichen konnten.

In Adiyaman verabschieden wir uns tränenreich und sitzen mit einem Mal in einem völlig überfüllten Minibus, der uns für 50 Lira (8 Euro) die150 Kilometer nach Malatya transportiert. Auf halber Strecke gibt es in der Pause einen gekochten Maiskolben auf die Hand. Man muss diese Türkei einfach lieben – manche Dinge sind so herrlich einfach. Andere Sachen, besonders Freundschaft und familiäre Angelegenheiten sind aber sowas von kompliziert, dass man langsam dahinterkommt, warum sich die Merkel und der Erdogan nicht verstehen. Was dem Deutschen sein Smalltalk ist dem Türken der Austausch von Höflichkeiten. Die nehmen sich auch nix übel, aber wenn, dann wird über Generationen nicht mehr miteinander gesprochen.

Am Ende der Tour fährt der Busfahrer extra für uns eine Schleife bis direkt vor’s Hotel – und keiner murrt wegen dem Umweg. Auf dem Weg wurde angehalten, damit jemand eben zum Geldautomaten springen konnte. Mitten in der Pampa hält der Bus und der Fahrer rüttelt einen schlafenden Jungen wach, der hier aussteigen muss.

Minibusse und Cay – das sind die Dinge, die ich am meisten vermissen werde.

Im Anemone genießen wir die Annehmlichkeiten eines 5 Sterne -Sterne-Hotels und freuen uns auf Freitag – dann soll unser Auto fertig sein – doch am Dienstag Abend kommt ein Anruf: Es mussten weitere Teile bestellt werden, es wird wohl Freitag nächster Woche werden.

Ob uns das aus der Bahn wirft? Irgendwie nicht. Es ist halt Türkei und ob Dinge passieren oder nicht – Inshallah! Totzdem wird uns die Zeit lang und wir müssen überlegen, was wir nächste Woche machen. Gleich werden wir in die Stadt fahren und uns nach einem günstigen Leihwagen umschauen. Ich würde gern noch einmal nach Mardin in den Süden, allerdings sind ie Nachrichten voll von Militäreinsätzen gegen die PKK in diesem Bereich und die Sehenswürdigkeiten, die wir ausgelassen haben, sind unter Umständen im Sperrgebiet.

Heute waren wir den ganzen Tag in Malatya – es ist immer wieder faszinierend, wie schnell man in der Türkei mit Leuten ins Gespräch kommt. In einem Schreibwarenladen kauft Sylvia einem kleinen syrischen Jungen Zeichenblock und Stifte. Die Ladenbesitzer sind davon so beeindruckt, dass sie nochmal 20 Lira runtergehen und uns nicht ohne Cay wieder entlassen wollen. Alle Mitarbeiter stehen um uns rum und haben ihren Spaß! Beim Optiker gegenüber bedanken wir uns nochmal für die Brillenspende an Fatma und erfahren, dass das so ungewöhnlich in der Türkei nicht ist. Wer wirklich arm ist und etwas braucht, z.B. eine Brille, würde die auch bekommen. Wir essen Hamburger mit Pommes in einem kleinen Cafe. Ein von einem Schlaganfall gezeichneter älterer Mann ist hier ist hier “Mädchen für alles” – er kocht, serviert und rechnet ab. Und der Laden ist gut besucht, auch wenn alles das gleiche bekommen.

Auf der Heimat lehrt uns der malatyat’sche Verkehr nochmals Hochachtung vor den Minibusfahrern. Malatya-Centrum abends um 8 ist wie der Vorhof zur Verkehrshölle. Und die kurven da rum, hupen, kassieren, rauchen und telefonieren gleichzeitig.

Was mich an diesen türkischen Städten am meisten fasziniert, ist dieser ungeheure Erlebniswert. Man kann das gar nicht erklären, außer mit: “Das ist sehr intensiv lebendig!” Wir sind hier fast 5 Stunden rumgerannt und ich weiß nicht, wo die Zeit geblieben ist.

In den dunklen Marktgassen wird gehandelt was das Zeug hält.

Auf der Suche nach einem Leihwagen werden wir mit einem Stück türkischer Lebensart konfrontiert, an das ich mich niemals gewöhnen werde. Wenn du einen Türken um einen Gefallen bittest, dann zieht der alle Register. Ich frage meinen Freund Yunus, ob er für mich bei einem bestimmten Leihwagenunternehmer anrufen kann, um mir ein günstiges Internetangebot zu bestätigen. Er macht das, fragt aber gleichzeitig einen anderen Freund, ob er mir helfen kann und gibt dem meine Telefonnummer, der gibt die Nummer wieder anderen Leuten und alle wollen dem armen Deutschen, der mittlerweile hier ganz gut klarkommt, helfen. Irgendwann muss ich das echt ruppig abbrechen und denen verklickern, dass ich keine Hilfe brauche – nur ein günstiges Angebot, und dass ich keinen Mercedes will, sondern nur einen billigen Fiat.

In Malatya finde ich einen Autovermieter, der mir einen kleinen Hyndai für 130 Lira anbietet. Genau mein Preis. Aber erst muss Cay getrunken werden, dann bestellt er Lahmacun und wir essen zusammen. Nach fast drei Stunden stellt sich heraus, dass der Wagen nicht versichert ist und ich die Kosten sogar tragen müsste, wenn mir einer hinten drauf donnert. Außerdem dürfte ich den Bezirk nicht verlassen. Das war absolut verlorene Zeit…

Von dieser Seite eher unspektakulär: Der Atatürk-Staudamm ist einer der größten der Welt – – näher kommt man eins der kriegswichtigsten Bauwerke der Türkei leider nicht heran.

Im Laden nebenan bekomme ich ein Top-Auto für 180 Lira, bin versichert und kann fahren wohin ich will. Den Deal mache ich per Whatsapp klar. Hier in der Türkei geht unglaublich viel Zeit für sowas drauf. Während wir um diesen 20-Euro-Wagen gefeilscht haben, waren mindestens 5 Leute mit Tee- und Essenholen beschäftigt. Es war auch kein anderer Kunde da. Der Typ hat de facto an diesem Nachmittag nicht einen Cent verdient. Es gibt in Malatya ungefähr 30 Mietwagenunternehmen allein im Zentrum. Und alle sind leer – wenn man eintritt läuft irgendwo ein Kind los und holt Papa, der dann nach 5 Minuten sehr geschäftig auftaucht.

Das 180 -Lira-Auto habe ich dann auch noch abbestellt, weil wir direkt vor dem Hotel von einem netten Türken angesprochen wurden, ob er uns irgendwie helfen könnte. Und der wusste dann einen Verleiher für 150 Lira.

Christentum in Andiyaman: Diese wunderschöne syrisch-orthodoxe Kirche ist den Heiligen Peter und Paul gewidmet

Gut, dass unser Ranger noch nicht fertig ist – wir wären sonst wohl nie zu unserer 2. Ostanatolienrundreise aufgebrochen. Und wir hätten wohl auch niemals Andiyaman kennengelernt. Bislang war jede Provinzhauptstadt eine Perle, deren Schönheit man nur von innen heraus bewundern kann.

Das riecht gut, schmeckt gut und sieht gut aus – in den geschäftigen Zentren des anatolischen Südens is t jeden Tag Kirmes…

Und auch Andiyaman macht da keine Ausnahme. Jede dieser Städte hat etwas komplett eigenes. Bei Andiyaman ist es der alte Handwerkermarkt im historischen Zentrum und die unglaubliche Lässigkeit, die dieser Ort im Zentrum verprüht. Wir haben uns selten so europäisch wohl gefühlt wie in diesem 250.000 Einwohner zählenden Städtchen. An Mardin kommt das nicht heran, es bleibt aber auch nicht weit entfernt.

Eins wird man in der Türkei niemals: Verhungern!

Und dann Sanliurfa – was für eine Perle und als Stadt mit keiner anderen Stadt der Türkei zu vergleichen. Man spürt den Einfluss des nahen Syriens.

Sanliurfa – eine typische Nahtstelle zwischen Orient und Okzident…

In Sanliurfa erwischen wir ein sehr schlechtes Hotel und beschließen, am nächsten Tag nach Gaizentepe weiterzufahren. Auf dem Weg zum Oto-Park sehen wir zum ersten Mal eine Türkin mit einem Hund an der Leine. Wir kommen schnell mit Özge ins Gespräch und erfahren, dass die Istanbulerin in Sanliurfa ein Haus gekauft hat, um hier eine AirBNB-Herberge einzurichten.

Wir fühlen uns in dem historischen Stadthaus sofort wohl.

Es wär zwar noch nichts fertig, aber wir könnten gern bei ihr wohnen. Wir schlagen ein und landen wieder in einer neuen Türkei-Episode. Die Wohnung befindet sich mitten in der historischen Altstadt – in direkter Nachbarschaft das Anwesen des Ehepaares Schmidt. Cidgem Schmidt führt hier ein kleines Museum, um an die Arbeit ihres 2015 verstorbenen Ehemannes, Prof. Dr. Klaus Schmidt zu erinnern. Der gebürtige Franke hatte mit seinen Entdeckungen und anschließenden Ausgrabungen der der Stätte Göbeklitepe dafür gesorgt, dass die Geschichte der Menschheit komplett umgeschrieben werden musste. Am nächsten Morgen sind wir Haus Schmidt zum Frühstück eingeladen und wir essen zusammen mit den Männern, die damals zum Ausgrabungsteam gehört haben und sich nun um das Handwerkliche im Haus kümmern.

Îm Wohnhaus von Klaus und Cigdem Schmidt gibt es heute ein Museum.

Am Nachmittag fahren wir die 30 Kilometer nach Göbeklitepe und würden hier nicht ehr als alte Steine sehen, wenn wir nicht bestens vorbereitet wären. Klaus Schmidt hat mit der Ausgrabung der weit über 10.000 Jahre alten Anlage bewiesen, dass in der Entwicklungskette der Menschheit schon Ackerbau und Viehzucht betrieben wurde, bevor Kultstätten und Städte gebaut wurden. Der Bau der Anlagen von Göbeklitepe wäre ohne Lagerhaltung von Lebensmitteln schlichtweg unmöglich gewesen. Klaus Schmidt hat bewiesen, dass die Menschen in Mesopotamien – damals der fruchtbarste Ort der Welt – 12.000 vor Christus keine Jäger und Sammler mehr waren. Aber weitaus wichtiger: Er hat bewiesen, dass erst die Existenz von Kultstätten und menschlichen Ansiedlungen Ackerbau und Viehzucht notwendig machten – und damit die Geschichte der Steinzeit und der Menschheit umgeschrieben.

Göbeklitepe – eine der bedeutendsten Ausgrabungsstätten der Welt.

Am Abend gehen wir in die Stadt. Es ist wunderschön und alles herrlich orientalisch – nur langsam geht es mir echt auf den Keks, dass wir hier sofort als Ausländer auffallen. Ich würde gerne mal wieder in die Anonymität meiner eigenen Kulturgemeinschaft eintauchen und mal wieder ein frisches Müsli mit Milch essen oder ein Käsebrot bei Kamps.

Ein Schaf an der Leine weckt hier wesentlich weniger Aufmerksamkeit als unser Michel.

“Das Auto ist zu 90 % am Montag fertig!” und wir können die frohe Kunde aus dem Autohaus kaum glauben. Wenn alles klappt sind wir Dienstag Nachmittag in Georgien und damit in einem Land, dass kulturell völlig anders aufgestellt ist als der anatolische Süden der Türkei.

Sanliurfa ist wunderschön – für Europäaer aber auch sehr anstrengend.

Ein letzter unvergesslicher Ausflug führt uns bis auf 20 Meilen an die syrische Grenze. Wir besuchen einen sehr geschichtsträchtigen und malerischen Verlauf des Euphrats und genießen eine Bootsfahrt.

Nicht zu vergessen: Der aufgestaute Euphrat hat hier viele Dörfer überflutet und unwiederbringliche Kunstschätze geflutet…

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3 Gedanken zu „13. Etappe – Die Türkei ( 6 . Juli – 13. September)“

  1. Schei…., das ist ja echt der Super-Gau. Wenigstens seid ihr heile geblieben, Material lässt sich ersetzen.

  2. Moin ihr beiden!
    Wir sind froh das euch und Michel nichts passiert ist.
    Wir hoffen das ihr weiterfahren könnt.
    Viele Grüße von Alfred und Sabine
    ( die Ostfriesen)

  3. Wir sind in Gedanken bei euch.
    Hauptsache euch und Michel ist nichts schlimmes passiert!
    Wir drücken euch ganz fest die Daumen das es für euch weitergeht.
    Liebe Grüße Alfred und Sabine
    (die Ostfriesen)

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