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12. Etappe – Griechenland (1. Juni – 5. Juli 2019)

Update 28. Juni: Alles geht wieder!

Wir starten unsere Griechenlandetappe mit der Fahrt vom albanischen Gjirokaster nach Meteora in Thessalien. Wir passieren Lazarat und ich überlege, warum die Hochburg der albanischen Mafia ausgerechnet 10 Kilometer vom Geburtsort des Diktators Hodscha zu finden ist. Ein junger Mann, den ich darauf anspreche, erklärt mir, dass die alten Kader noch immer in den Führungspositionen sitzen und wenn sie zu alt werden, rücken die Söhne nach. Er erklärt mir den Fatalismus der Albaner: “Wenn die Politiker korrupt sind, dann zahlen wir eben keine Steuern!” Nur 50 % von EU-Ländern kommen auf den Baustellen an, der Rest versickert in den Behörden. Bei uns versickert das in Planungsbüros, bei Gutachtern und in Ausschüssen, der Unterschied ist die Legalisierung dieses Mittel-Abflusses.

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Autofahren in Albanien

Autofahren in Albanien ist ein echtes Abenteuer. Zum einen entpuppen sich offizielle Durchgangsstraßen als Schotterpisten, zum andern gibt es außer den Tempolimits wohl kaum irgendeine Regel, an die sich die Albaner halten. Dabei geht es nicht immer nur dem Gesetz der Stärke. Man darf sich halt nicht unterkriegen lassen.

Wer einen Engpass sieht und nicht versucht, schnell noch durchzukommen, der steht da die nächsten drei Stunden, oder bis die Leute hinter einem aussteigen und die Situation auf die ein oder andere Art und Weise klären. “Mutig sein” hilft hier ungemein und wenn die Gegenseite erkennt, dass es kein Durchkommen gibt, dann bleiben die irgendwann stehen oder setzen notfalls auch mal zurück.

Schlaglöcher gibt’s hier ohne jede Vorankündigung, oft so groß, dass eine Ziege drin verschwinden könnte. Werden sie zu groß, dann wird einfach ein Reifen reingelegt.

Hupen gehört zu guten Ton und niemand, der einen anhupt hat etwas Böses im Sinn. Es soll wohl nur ermuntern, endlich das Träumen sein zu lassen und zügig weiterzufahren.

Mein Liebstes: Hier sind alle Kreisverkehre mindestens zweispurig. Wer also nicht sofort wieder rausfährt dreht sich in den Innenkreis. Vorfahrt hat dabei, wer die Nase vorn hat. Und das klappt.

Und dann die Autobahn: Die unterscheidet sich von anderen Straßen nur dadurch, dass man hier schneller fahren darf. Hier gibt es sogar Kreisverkehre, manchmal mit einer angebundenen Kuh drauf – keine Ahnung wie die da hinkommen konnte. Hier sind vom Eselskarren bis hin zum selbstgebauten Mofa-Transporter die unmöglichsten Gefährte unterwegs – und Fußgänger, z.B. wenn der Schulbus am Rand anhält.

In all diesem Chaos habe ich aber nicht das Gefühl, dass das Fahren hier wirklich gefährlich ist, weil hier jeder immer auf alles gefasst ist und sich auch nicht aufregt.

Das ist eine selbst in groberen Kartenwerken eingetragene Straße.


Aussteigen mit kleinen Kindern

Wir treffen auf unserer Reise immer wieder Familien mit kleinen Kindern. Ich mag hier kaum von Aussteigern reden, weil es für diese Altersgruppe – also junge Leute bis etwa 35 – noch nicht ums Aussteigen im eigentlichen Sinne geht, sondern vielfach um die Suche nach sinnstiftenden Elementen und alternativen Lebensformen. Vielleicht ist es auch ein vorbeugende Maßnahme, um nicht in den allgemeinen Trott zu verfallen.

Familie H. aus Holland ist da so ein typisches Beispiel. Die finanziert ihre Reise durch den Verkauf ihres Hauses, haben etwas für den Neustart beiseite gelegt und reisen nun mit zwei kleinen Kindern durch die Welt. “Es ist ein Geschenk” sagen sie – auch wenn die sehr anhänglichen Kinder gerade sehr viel Aufmerksamkeit fordern und auch die Wünsche der Eltern etwas einschränken. Vater Joris: “Die haben nun mal keinen Spaß an Offroadtouren durch die Sahara!”

Aussteigen mit kleinen Kindern ist sicherlich ein Knochenjob. Wir sehen das deutlich an einem Pärchen aus München. Der kleine Ben fängt gerade das Laufen an und ist zu 150 % auf die Mami fixiert. Allerdings: “Zuhause wäre das alles noch viel anstrengender!”

Und dann gibt es auch diese Väter und Mütter, die ihr Andersein auf eine etwas übertriebene Art zelebrieren. Wir haben selbst drei Kinder groß gezogen – da weiß man, dass der Sonnenschein, den man grad stolz im Tragegurt vor der Brust präsentiert, später auch mal ganz andere Seiten zeigen kann.

Es kann nicht immer alles super sein – das ist eine allgemeine Elternerfahrung, die natürlich auch auf Reisen gilt.

Der Vater des kleinen Ben ist auf jeden Fall fasziniert “…, dass es überhaupt möglich ist, und dass es so einfach ist, man muss es nur machen!” Arbeiten während der Reise ist aber meiner Meinung nach mit kleinen Kindern nicht zu schaffen, denn die ständig wechselnde Umgebung fordert Eltern tagtäglich und pausenlos zu 100 %.

So wie ich das sehe ist “Aussteigen mit kleinen Kindern” ein absolut machbares und auch erfüllendes Projekt. Sicher sehen wir hier nur Momentaufnahmen und wissen auch nicht, wie es weitergeht. Gut möglich, dass sich gerade diese reisenden Kinder später zu All-Inclusive-Touristen entwickeln – wer weiß das schon.

11. Etappe – Albanien (16. – 31. Mai 2019)

Wir verlassen dankbar und tiefenentspannt den Ohrid-See und erreichen nach wenigen Kilometern die albanische Grenze. Das Zusammenpacken und Aufbrechen dauert mittlerweile keine 15 Minuten. Wir entschließen uns, den Norden auszulassen und direkt ans Mittelmeer zu fahren. Tirana muss leider wegen der Unruhen gestrichen werden vom Reiseplan. Apropos Unruhen: Trump macht mir Sorgen, denn wir wollen eigentlich auch in den Iran. Mal sehen, wie sich das entwickelt.

Direkt hinter der Grenze treffen wir die Jungs vom Verein “Deutsche Humanitäre Hilfe Nagold e.V.”, die mit zwei Trucks an der albanischen Grenze auf die Zollabfertigung warten. Nur ein paar Minuten und ein paar Sätze reichen und wir wissen: “Das sind wieder so Typen, denen das normale Leben zu wenig ist und die tiefer schürfen wollen in ihren Möglichkeiten.”

Hier informieren

Wir fahren weiter Richtung Meer und erreichen Kavala. Auf dem Weg der erste Eindruck: Vom Armenhaus Deutschland nicht wirklich die Spur. Die Straßen sind gesäumt mit Ständen, wer seinen Wagen waschen lassen will muss nur rechts ran fahren.

Auf dem Campingplatz verkaufen zwei Mädchen Obst und Gemüse, die Wartezeit überbrücken sie kichernd mit ihrem Handy.

Die Albaner erscheinen mir sehr geschäftstüchtig – besonders diese beiden sehr sympathischen Exemplare

Der Campingplatz ist schön gelegen, aber eindeutig keine Karawanserei-Station in Richtung Osten. Die Menschen gehen aneinander vorbei, ein kurzer Hallo, das war’s. Hier werden wir nicht alt. Morgen werden wir weiter nach Vlore und dann nach Borsh fahren, wo wir vielleicht ein paar alte Bekannte vom Campingplatz Rino treffen, der uns jetzt schon fehlt.Vlore ist eine lebendige Touristenstadt und der Campingplatz ist wieder ganz nach unserem Geschmack und natürlich treffen wir sofort wieder nette Leute.

Und den Knüppel zum Hunde vertreiben immer dabei: Wer als Frau unterwegs ist muss wehrhaft sein: Michael aus Österreich und Jeanne aus der Schweiz.

Ab Vlorae geht es weiter zum legendären Llogara-Pass. Die Anhöhe markiert das Ende des Einflussbereiches von Alexander dem Großen und seiner Idee von “Groß-Griechenland”.

Frischerer Fisch geht nicht: Stand kurz vor dem Pass. Hier decken sich die umliegenden Hotels mit Fisch ein. Für Handwerker und Touristen wird der Fisch sofort zubereitet. Wir kaufen Brasse und Brataal für das abendliche Buffet.

Der Pass fasziniert mit fantastischen Weitblicken und die Albaner zeigen, dass Mut alles ist, was Autofahrer brauchen. In Albanien ist der Mercedes ein Statussymbol. Ich habe noch nie so viele alte S-Klassen auf einem Haufen gesehen.

Vorsicht Gegenverkehr!

Albanien nimmt auf der Südseite des Passes einen unwiderstehlichen mediterranen Charme an. Agaven, Kakteen und Palmen und das Leben findet auf den Straßen statt. Ich krame die Sonnenbrille raus, weil alles so licht, hell und strahlend ist. Und sauber: Albanien ist der bislang aufgeräumteste Balkan-Staat, den wir passieren.

Unser tolles, bestes und hypergeilstes Auto in seinem Element…

Wir erreichen die Bucht von Borsh und nach der Wegbeschreibung “wenn’s nicht mehr weitergeht dann rechts” treffen wir Ines und die Ostfriesen hier am Strand. Abends kommt der Fisch auf den Tisch und das Lagerfeuer kämpft erfolgreich gegen die Frische der Nacht an.

Ein feines Plätzchen direkt am Strand und kostenlos.

Am frühen Morgen kommt der Ziegenhirte auf ein Pläuschchen, bevor er seine Herde in direkter Linie den Fels hinauf treibt. Am Nachmittag müssen wir einen Fernseher finden, weil Alfred den Kickers aus Emden beim Aufsteigen zusehen muss.

Brennholz ist satt vorhanden.

Thema Sicherheit: Wie schon vorab in Rumänien haben wir in Albanien ALLE Vorurteile über Bord geworfen. Für mich ist mittlerweile klar: Die wirklich bösen Menschen leben in den führenden Industrienationen- vor denen sollten wir uns fürchen, nicht vor den Albanern, vor denen als allerletztes.

Wir haben hier weder diebisches Landvolk, abzockerische Parkplatzwächter noch korrupte Polizisten erlebt und ich frage mich nicht ein allererstes Mal auf dieser Tour: Wer hat einen Vorteil darüber, dass wie so schlecht über die Leute außerhalb Deutschlands denken?

Ein unglaublich nettes Volk diese Albaner…

Schlechte Nachrichten von unserem Iran-Kontakt: Mit dem Ford Ranger bekommen wir nur ein 5 Tage-Visum für den Iran und für 5 Tage lohnt der ganze Aufwand nicht. Vorläufiger Plan nach dem Wegfall Irans als Transit für den Rückweg: Nach dem Kaukasus werden wir Richtung Osten das Kaspische Meer umfahren bis zur Turkmenistanischen Grenze. Von hier aus denn per Schiff nach Baku in Aserbeidschan und dann entlang der türkischen Schwarzmeerküste nach Istanbul.

Ich ärgere mich über einen Kumpel, der meint, man müsse bei der Beurteilung von Albanien auch die Regierung kritisieren.. “Frag mal die Leute auf der Straße, was sie von ihrer Regierung halten.” Soll man Albanien kritisch sehen, nur weil hier eine vom Volk kritisierte Regierung an der Macht ist? Wem diene ich den damit??? Da frag ich doch lieber die Ziegen hinter’m Auto, was sie von so einer Logik halten…

Der dritte Tag in der Bucht von Borsh führt uns, Ines und die Ostfriesen hoch auf den Berg zur Burg von Borsh. Das baufällige Gebäude versprüht einen Hauch von Morbididät, der sich nur bei absolut orginalen und nicht restaurierten Denkmalen einstellt.

Die Burg von Borsh – ein absolut sehenswertes touristisches Kleinod abseits der eingetretenen Pfade
Der Turm der Kirche – oder Reste eines Minarettes? Hier ist neben Schwindelfreiheit auch Phantasie gefragt.

Auf dem Rückweg besuchen wir eine Restaurant, das mitten über einem Gebirgsfluss auf Stelzen steht.

Abends sitzen wir wieder am Lagerfeuer, auch Vera und Waclav aus Prag bringen etwas zu Essen mit – Wir braten Kartoffeln in der Glut und essen die Matjes, die Alfred schon seit Wochen durch Europa transportiert .

Auch ein starkes Team: Vera und Waclav aus der Tschechei

Mich beschäftigt die Frage, ob ich dieses Land bereisen darf, oder ob ich es aus Solidarität zu den Regierungskritikern bleiben lassen soll. Meine Güte: Wo fängt das an? Dann darf ich ja nicht mal mehr in die Uckermark fahren. Nein, ist schon gut so und die Albaner freuen sich über uns. Zumindest arbeiten wir hier bei Matjes und Raki im Rahmen unserer Möglichkeiten am Haus Europa.

Albanien wird mir als ein Land der skurillen Momentaufnahmen in Erinnerung bleiben.

Wir können Ines überreden, mit uns die Bergstrecke nach Vlora als Alternative zum Llogada-Pass zu versuchen, aber sie hat schon nach ein paar Kilometern “kein gutes Gefühl” und bricht ab.

Die Piste schlängelt sich durch das Gebirge im Hinterland von Himare. Ohne Allrad ist das eine echte Herausforderung. Wir brauchen am Ende für knapp 50 Kilometer 5 Stunden.

Andreas, den wir in Borsh kennengelernt haben, fährt vor und wir folgen seinem Allrad-Daimler.

Die Tour macht einen Riesenspaß und macht das bisherige Highlight unserer Reise aus. Unvergleichbare Ausblicke und eine Szenerie fernab jeder Zivilisation.

Andreas und Diana aus Gera – ganz konsequente Aussteigertypen.

Ich habe da bislang nichts Ähnliches erlebt. Der Ranger schraubt sich souverän durch die engen Kehren und ich freue mich über jedes PS.

Wirklich befahrbar ist diese Straße aber wirklich nur im klassischen Sinn: Mann kommt irgendwann an.

Wir folgen Andreas und schrauben uns durch’s Gebirge – ein unvergleichliches Erlebnis.

Nach knapp 50 Kilometern hat das Holpern ein Ende und wir fahren auf einigermaßen erträglichen Straßen. Bis zur nächsten Nationalstraße sind es noch 4 Kilometer. In einem kleinen Dorf kaufen wir für’s Abendessen ein.

Typischer Laden in Albanien – völlig entschleunigt und garantiert nicht bis 22 Uhr geöffnet.

500 Meter nach dem Ortsausgang verabschiedet sich der Motor und wir stecken fest. Ferndiagnose aus Deutschland hilft nix und auch die 10 albanischen Köpfe, die unter unserer Motorhaube in den Tiefen des 6-Zylinders verschwinden, wissen keinen echt wirksamen Rat.

Die coolen Dorfkids wissen auch nicht wie’s weitergehen soll – freuen sich aber über die Abwechslung.

Da hilft nur Abschleppen. Ein Albaner kümmert sich um alles und 2 Stunden später wird der Ranger auf einen klapprigen Abschleppwagen gezogen – da klappt mal so grad eben – und los geht der Höllentripp.

In einer der ersten Kurven schleudert uns ein mit 5 finsteren Albanern besetzter Rangerover entgegen und hechtet aus Platzmangel in den Straßengraben. Unser Fahrer setzt zurück, zieht eine Art Spanngurt unter seinem Sitz hervor, verknotet die beiden Fahrzeuge und zieht den Rangerover aus dem Loch. Dabei wird kaum ein Wort gesprochen und vor allem auch gar nicht geschaut, ob da irgendwas kaputt gegangen ist. Die fünf wuchtigen Albaner steigen wieder ein und brausen los.

Mein Guide empfiehlt mir, nicht auszusteigen, daher nur ein unscharfes Foto.

Unser Fahrer hantiert mit zwei Handys, zündet sich mit Streichhölzern eine Kippe an. Aus einem billigen Lautsprecher scheppert orientalische Pop-Musik. Zur Krönung kommt bei voller Fahrt noch sein Kumpel oben aus dem Ranger geklettert, weil er auch ‘ne Kippe will.

Endlich mal was los auf dem Campingplatz – Die Experten diskutieren die verschiedenen Lösungsansätze.

Die Asphalt-Artisten haben uns nach Vlore gebracht. Hier haben die sympathischen Abschlepper den Ranger am nächsten Morgen wieder abgeholt und zu Ford nach Tirana transportiert. In der nun auf ihren eigenen Beinen stehenden Kabine warten wir nicht gerade am übelsten Platz der Welt auf unser Auto. Metti, der Besitzer von Camping Vlore ist einer der freundlichsten und hilfsbereitesten Menschen die ich auf meiner Reise kennenlernen durfte.

Und ab damit zu Ford nach Tirana – Wir machen Urlaub in der abgestellten Kabine.

Camping Vlore ist meine Empfehlung für Camping in Albanien

Camper-Idylle auf dem Platz “Camping Vlore”. Hier springt der Fisch direkt vom Meer auf den Teller.

Der zweite Tag ohne Auto. Wir gammeln rum und freuen uns, dass Ines wieder bei uns ist. Am Abend kommt auch mein Offroad-Begleiter Andreas auf den Platz – in ziemlicher Dunkelheit, denn die ganze Bucht ist für Stunden ohne Strom. Andreas und Diana wollen morgen von Vlore nach Bari übersetzen. Die Option kommt für uns auf dem Rückweg in Betracht.

Der dritte und vierte Tag: Lost in Albania – wir leben zwar wie die Made im Speck auf Camping Vlore, aber die Made langweilt sich. Ines fährt heute weiter und vom Auto gibt es nichts neues.

Ich habe mich mit Mettis Onkel über die politische Situation in Albanien unterhalten und er sagt, dass das Problem nicht allein die schlechte Regierung wäre, sondern vor allem, dass es keine Opposition gäbe. Der Onkel war ein hochrangiger Militär und kann mir einiges über die Entwicklung Albaniens seit Hodschas Tod in den 80er Jahren erzählen. Wieder merke ich, dass die Albaner ein ganz feines Volk sind – mindestens ebenso europäisch wie die Rumänen oder Bulgaren. Die Albaner sind sich ihres Potentials bewusst und jammern nicht rum, das liebe ich an denen.

Wir selbstgefälligen Westeuropäer werfen ihnen vor, dass das alles nicht schnell genug geht. Man muss sich mal überlegen, was hier vor 40 Jahren los war und viele Albaner haben das noch miterlebt. Noch heute stehen an allen strategisch wichtigen Punkten Hodschas 1-Mann-Bunker, in denen jeweils ein junger Albane mit der Kalaschnikow im Anschlag die bevorstehende Invasion der Westmächte erwartete.

Wer aufmerksam spazierengeht, der findet in Albanien ein sehr artenreiches Bodenleben vor. Schlangen, Eidechsen, Ratten – das Highlight bislang war diese griechische Landschildkröte.

Und dann endlich: Es ist Mittwoch und ich habe den Ranger aus Tirana abgeholt. Er läuft wie am Schnürchen, leider kann mir niemand sagen, woran es gelegen hat, wahrscheinlich ein lockeres Kabel. Als ich auf dem Campingplatz die Kabine montieren will sehe ich, dass die vordere linke Befestigungsöse abgerissen ist. Das Eisen ist total rostig und ich gehe davon aus, dass wir mit dem Schaden schon seit Rumänien rumfahren. In einer kleinen Werkstatt bohrt mir ein freundlicher Albaner die sechser Löcher auf, hinterlegt neue Muttern und tauscht die viel zu dünnen Schrauben gegen wirklich wuchtige Brummer aus. Der Spaß kostet mich 12 Euro. Er empfiehlt mir, das auf der anderen Seite auch noch zu machen. Da ich mir in der Türkei eine Winde montieren lassen will wird das da in einem Abwasch gemacht.

Wir sind jetzt 2 Monate unterwegs, da geht halt mal was kaputt.

Auf dem Weg nach Griechenland fahren wir durch das albanische Hinterland, wo noch vor 5 Jahren erbitterte Kämpfe um die Hoheit in den Cannabis-Anbaugebieten ausgefochten wurden. Hier stand ein ganzer Landstrich unter Kontrolle der Drogenmafia, die 4 Milliarden Euro pro Jahr mit Cannabis umsetzte. Wie unzugänglich die Region ist mag man an diesem Brückenbauwerk ermessen, das sich rund 150 Meter über eine malerische Schlucht spannt. Ich wäre zur Krönung des Vatertages gerne drübergefahren, aber als der eine Albaner sagte “Geht” und der andere “Besser nicht!” haben wir uns doch dagegen entschieden.

50/50 war Sylvia dann doch nicht sicher genug!

Albanien ist wunderschön hier und wird uns zunehmend fremdländischer, wenn nicht sogar orientalischer. Das Navi radebricht mit den Straßennamen wie “Ali Pashe Tempelena Road”.

Cooler Typ der Ali Pashe Tepelena…Was er gemacht hat ausser lässig abhängen erschliesst sich nicht…

Der Tag klingt auf dem Campingplatz in Gjirokaster aus. 100 Kilometer vor der griechischen Grenze mutet Albanien mehr und mehr wie ein Zeichnung aus einem Karl May-Band an.

Camping Gjirokaster beherbergt uns für 8 Euro die Nacht und das Restaurant empfiehlt sich mit feinster albanischer Küche.

10. Etappe – Mazedonien (10. – 15 . Mai)

Da haben wir uns auf den ersten Metern verliebt: Ein stolzes Land mit freundlichen Leuten und statt Müllbergen am Straßenrand “Save the Nature”-Plakate. Wir starten unsere Tour am Matka Canyon und genießen dieses Schauspiel in der Abenddämmerung – gut vorstellbar, dass hier tagsüber der Teufel los ist. Wir sind auf jeden Fall ganz allein auf dem Wanderweg entlang dieses kleinen Sees, der durch Aufstauen einer malerischen Schlucht entstand. Die touristische Ausschlachtung ist angemessen und nimmt Rücksicht z.B. auf die Fledermäuse, die sich in den Felsnischen eingenistet haben.

Wir übernachten in den Bergen und verbringen eine ruhige Nacht mit der tollen Erfahrung, wie dunkel es ist, wenn wirklich keine Lichtquellen vorhanden sind. Die Nacht ist sowas von schwarz, dass sich selbst das Vogelgezwitscher verbietet. Diese Momente sind die Highlights der Tour, genauso wie das Geschenk, frühmorgens durch das wolkenverhangene Mazedonische Gebirge fahren zu dürfen.

Der zweite Tag auf dem wunderschönen Campingplatz Rino bei Struga. Nachts hört man das Rufen des Muezzins und wir erfahren, dass 80 % der Einwohner hier Moslems sind. Der Islam ist hier am türkischen Vorbild orientiert, scheint aber wenig Einfluss auf das öffentliche Leben zu nehmen. Struga ist eine moderne südeuropäische Stadt, die man so auch sicher in Italien oder Spanien finden könnte.

Ich sitze mit Emini Verdi und Dauti Versi am Ufer des Ohrid-Sees und die beiden ehemaligen Gastarbeiter erzählen von ihrer Zeit in Österreich. Emini hat 38 Jahre im Ausland gearbeitet, zuletzt als Polier in Diensten von “Mörtel” Lugner, den er als fairen Arbeitgeber preist.

Die beiden lieben den Süd-Balkan und machen zwischen Mazedonien und Albanien keinen Unterschied. Es scheint, als könnten sie ihre Rente hier besser investieren als 50 km entfernt in Albanien. Am Vorabend haben wir Ines aus Dortmund kennengelernt. Die einst beruflich sehr erfolgreiche Juristin und Personalerin reist ebenfalls mit dem Pickup durch Europa und unsere Lebensgeschichten ähneln sich in vielen Punkten. Sie ist weiter als wir und mir wird schlagartig bewusst, dass mein altes Leben vorbei ist und es auch keinen Weg zurück gibt. Nach dieser Reise wird nichts mehr so sein wie vorher. Wir verabschieden uns von Ines und vereinbaren ein Wiedersehen in ein paar Tagen in Albanien, wo ich auch auf ein Treffen mit Karl aus Wien hoffe, so ihm das nicht zu weit ist.

Ines aus Dortmund ist mit ihrem Nissan + Tischer-Wohnkabine auf dem Südbalkan unterwegs. Wir sitzen abends noch lange zusammen und vergleichen unsere Beweggründe, die auf völlig unterschiedlichen Wegen zum gleichen Ergebnis führten.

Markttag in Struga: Die Stadt ist gut auf Tourismus eingestellt und am nördlichsten Zipfel der Ohrid-Sees präsentiert sich das Unesco-geschützte Naturdenkmal von seiner besten Seite. Der türkis-grüne Drin führt durch die lebhafte Stadt und entwässert den riesigen und von schneebedeckten Bergen umrahmten See. Vergleiche zum Gardasee verbieten sich wegen der völligen Unterschiedlichkeit – aber der Ohrid-See hat das gleiche Potential – wenn nicht mehr.

Seeschlangen inklusive – Der Ohrid-See birgt manche Überraschung

Der Markt lebt von regionalen Produkten und empfindliche Gemüter fragen die Hühner und Küken, die hier zum Verkauf angeboten werden, besser nicht nach dem Befinden.

Das Ware schreit vor Frische und für umgerechnet 2 Euro ist der Gemüsekorb für den abendlichen Salat prall gefüllt.

Kein armes Land, dieses Mazedonien und manchmal denke ich, die Mazedonen sind sich dessen auch bewusst.

Für umgerechnet 10 Euro kaufen wir einen Berg Nüsse, die noch in Georgien unser Müsli krönen werden. Zwei Kaffee und ein Orangensaft im Cafe am Fluss: 2 Euro.

Die Schwarze Drin entwässert den mächtigen Ohrid-See durch Struga hindurch.

Das Leben spielt sich hier auf der Straße ab und ob hier jemand ein Kopftuch trägt oder nicht, ist ganz bestimmt kein Thema. Der Muezzin schreit und die Orthodoxen bekreuzigen sich zigfach wann immer sie ein Kreuz sehen.

Im Supermarkt kostet die Milch einen Euro und ich bekomme eine Vorahnung, was bei einem Durchschnittseinkommen von 400 bis 600 Euro nach einem Supermarkteinkauf übrig bleibt. Auch deshalb ist der Markt zu gut besucht – hier gibt es eigentlich alles was man braucht und zu erschwinglichen Preisen.

Überall wird diskutiert – vor allem über den möglichen Nato-Beitritt. Das kleine Mazedonien fürchtet nicht Russland oder Griechenland: Nachbar Serbien macht den Mazedonen Sorgen. In der aktuellen Stichwahl gab es einen überwältigenden Sieg für einen Reformpolitiker, auf dem hier viele Hoffnungen ruhen. Der alte Kaderkandidat – russland-nah – wurde abgestraft.

Hier wird beim Morgenkaffee diskutiert was die Weltlage hergibt – laut und sehr engagiert.

Es ist Montag, 13. Mai, und wir sind seit 6 Wochen unterwegs. Über dem Balkan hat es sich eingeregnet und wir warten gemeinsam mit Justin aus Neuseeland auf besseres Wetter. Es gibt keinen Punkt, den man innerhalb einer Tagesetappe erreichen könte, an dem es nicht regnet, also mummeln wir uns ein und warten auf besserers Wetter. In der Nacht ist ein Pärchen aus Holland gekommen, die auch über Georgien nach Aserbeidschan wollen.

Wir teilen unsere Pasta mit Justin aus Neuseeland – der ist froh im strömenden Regen nicht im Zelt sitzen zu müssen unbd erzählt uns seine spannende Reisegeschichte.

Wir sprechen seit zwei Tagen fast ausschließlich Englisch und es ist schon auffallend, dass alle Leute hier auf dem Platz entweder einen Aussteigerhintergrund haben oder zumindest leidenschaftlich reisen. In diese “Aussteigerszene” platzt eine Reisegruppe mit mehreren Wohnmobilien aus Deutschland und der Schweiz, die im Rahmen einer Guided Tour auf dem Balkan unterwegs sind. Ich habe durchaus Verständnis für die Motivation dieser Leute, aber ich denke, dass selbst der Ängstlichste hier merkt, dass es keine landestypischen Gefahren oder Sicherheitsrisiken gibt. Aber vielleicht lieben diese Leute das Reisen in der Gruppe und die geselligkeit. Da die Gruppe eine eigene soziale Dynamik entwickelt bleibt man aber eher unter sich und verpasst damit womöglich die Chance, von Einheimischen angesprochen und eingeladen zu werden, wie es Individualreisenden hier täglich passiert. Andererseits organisieren die Guides Kontakte und führen die Gruppe sicher auch an Orte, die anderen verschlossen bleiben. Jeder soll das machen, wie er möchte…

Wir sind auf jeden Fall heilfroh nicht fix geplant zu haben, denn Justin legt uns die Mongolei ans Herz und ich grübel über den Karten. Ausgeschlossen ist das nicht , aber wenn, dann dürfen wir jetzt nicht viel Zeit verlieren in Griechenland. Georgien ist der Dreh- und Angelpunkt aller Planungen und ich denke, dass wir Ende Juni dort sein werden.

Thomas und Deria aus Leipzig wollten eigentlich Mazedonien erwandern – bis der Regen kam. In der Campingplatzbar herrscht eine Stimmung wie in der Bar Rick’s Cafe. Hier sind alle Reisende.

Auch Justin hat sich wieder auf den Weg gemacht mit seiner Afrika Twin in Richtung Norden. Wir werden Mittwoch durchstarten nach einer Woche Camping Rino. Wir haben hier Essen, Trinken und Campingplatz 20 Euro die Nacht bezahlt. Gute Nachrichten per email: Kasachstan ist bis zu 30 Tage Visa-frei, was unsere Planungsmöglichkeiten erheblich erweitert. Von unserem Kontakt aus dem Iran gibt es noch keine Infos, aber so wie die weltpolitische Lage gerade aussieht wird das wohl eh nichts werden.

Justin aus Neuseeland bereist die Welt mit seiner Honda.

Am Nachbartisch freuen sich ein paar Mazedonier auf den Sonnenuntergang: Hier ist Ramadan und nur zu gerne trifft man sich im Restaurant zum gemeinsamen Essen.

Die Bevölkerungsmehrheit ist islamisch und folgt den Regeln des Ramadan. Gegessen und getrunken wird nur nach Sonnenuntergang

Die Zeit hier in Struga war sehr wichtig: Zum einen sind wir echt runtergekommen in dieser Regenwoche, zum anderen haben wir wieder tolle Leute kennengelernt und auch die zeit für uns gut genutzt. Ich habe mich z.B. wieder intensiv in Brene Brown hineingehört. Ich bin sicherlich auf dem richtigen Weg, aber es gibt noch viel zu tun!



9. Etappe – Durch Bulgarien (4. Mai – 9. Mai 2019)

Ich kämpfe wieder mit meinen Geistern: Morgen geht es nach Bulgarien und ich habe nicht viel Gutes gehört über das vermeintlich ärmste EU-Land. Ich höre immer noch zu sehr auf diese Stimmen, statt offen ins Abenteuer zu gehen. “No risk no fun” – yo, das waren noch Zeiten. Heute liest man Google-Bewertungen über Campingplätze und löst damit eine grundsätzliche Angst vor einem ganzes Land aus. So ein Unsinn. Andererseits ist Vorsicht ein deutliches Evolutionsmerkmal.

Egal: Morgen stehen 370 Kilometer bis nach Belogradchik an. ich habe es noch nie besucht, also wird es mich überraschen – zwangsläufig. Ich weiß, dass dort viele zu junge Mädchen für Geld an der Straße stehen und so manches Kind unseren Michel um sein Hundeleben beneiden wird. Und? Ich kann das nicht ändern, so sehr ich das auch möchte. Ob Bulgarien und Serbien für mich mehr als Transit sind auf dem Weg nach Montenegro sind wird sich herausstellen. Am 1. April hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass ich fast einen Monat in Rumänien bleiben werde.

DerWeg nach Belogradchik ist trostlos, aber es geht auf wirklich sehr guten Straßen zügigvoran. An der Grenze macht mich der finster dreinblickende Grenzer ganz kirre und ich muss Sylvia daran erinnern, dass ich als Jugendlicher Grenzen noch anders erlebt habe. Er winkt uns durch und wir landen drei Meter später an einem weiteren Häuschen: Die freundliche Bulgarin will 6 Euro für den “Beach” haben. “Was’n für’n Strand”überlege ich und entschließe mich doch lieber zu zahlen. Zwei Kilometer weiß ich was sie meinte: Nicht den “Beech” sondern die “Breeedge”, was auf bulgarisch/englisch Bridge heißen sollte und für die mächtige Donaubrücke steht, die sich hier über den unvorstellbar breiten Strom schlägt. Wir lachen uns halbtot und tauchen sofort tief in dieses interessante Land ein. Hier haben die alten Schinken noch kein Oldtimer-Kennzeichen und auf den Straßen werden jederzeit Offroad-Qualitäten abgefragt.

Aber es ist schon schön. Wir kommen am Campingplatz an und würde es regnen, es wäre die gleiche Szene wie der Beginn der Rocky Horror Picture Show. Wir essen im Restaurant und ich bekomme mit Ziegenkäse überbackenen Schafskäse in einem echt brennenden Tontopf. Auch das Bier wird im Topf serviert und sogar die Fanta. Außer Töpfen braucht’s hier kein Geschirr. Hintergrund jault es wie aus einem türkischen Taxi und wir wissen endlich: Der Orient ist nicht mehr weit. Die Anlage ist skurill, aber blitzsauber.

Kathleen aus Belgien setzt sich zu uns. Die Psychiaterin aus Antwerpen reist allein in ihrem Mercedes-Allrad-Kastenwagen und will die Seidenstraße hoch und die Pamir-Hochstraße meistern.

An Plätzen wie diesen begegnet man Individualisten. Wir unterhalten uns super und beschließen, uns die Burg und die Felsen morgen zusammen anzusehen.

Am Morgen kreist ein Storch über dem Camper und es ist toll anzusehen, wie dieser majestätische Vogel die Winde zum aufsteigen nutzt und quasi ohne Flügelschläge an Höhe gewinnt. Kathleen bleibt im Camper, sie hat bis 2 Uhr in der früh Russisch gelernt und ist müde.

Die Festung von Belogradchik ist der Hammer – Eine Wahnsinns-Verteidigungsanlage, die die mächtigen Steinkolosse in die spektakuläre Architektur einbezieht. Die gesamte Gegen um die Stadt ist mit diesen Steinriesen übersäht, die teils bis zu 100 Meter aufragen. Man bekommt schnell einen eindruck davon, warum diese Festung als uneinnehmbar galt.

Wir frühstücken im schicken Hotel Fortobel, direkt neben der Festung. Der sympathische Hotelbesitzer begrüßt uns auf deutsch und ich verspreche, etwas Werbung für ihn zu machen. 70 Lew, also 35 Euro kostet hier das Doppelzimmer für zwei Personen. Die Campingplätze der Region liegen bei 40 Lew, also 20 Euro. Kurz überlege ich, eine Hotelnacht einzulegen, aber wir wollen heute noch knapp 300 Kilometer bis nach Rila fahren, um die weltberühmte Klosteranlage zu besuchen. Sofia lassen wir links liegen, irgendwie werden wir nicht warm mit dem Land – kann aber am Wetter liegen – an der Landschaft auf keinen Fall.

Camping Bor ist gespenstisch – Im Sommer mag hier einiges los sein, aber die Nacht wird höchstens mal ein Bär am Wohnmobil klopfen. Wir sind allein mit dem alten Aufseher, der kein Wort von irgendeiner Sprache spricht, ich bezweiflle, dass irgendwer das Bulgarisch versteht, dass er radebricht. Selbst aus seinen Gesten werden wir nicht klug. Aber irgendwie geht das alles – dauert alles halt etwas. Die Landschaft mitten im Rila-Nationalpark ist auf jeden Fall mehr als beeindruckend. Hier könnte man prächtig wandern, aber die Temperaturen sind um die Null grad und das Wetter wird nicht besser. Morgen schauen wir das Kloster an und fahren am Nachmittag nach Skopje in Mazedonien, wo es immerhin um die 20 Grad warm sein soll.

Und wieder umgeplant: Es ist super Wetter und bei Sonnenschein ist die Anlage gar nicht mehr so gruselig. Wir entscheiden kurzfristig, noch einen Tag zu bleiben, weil es aktuell viel Arbeit für mich gibt und ich dringend funktionierendes Internet brauche. Ob ich das in Mazedonien habe weiß ich nicht. Eventuell bleiben wir sogar morgen hier, Vorräte haben wir genug und bin lieber Samstag und Sonntag außerhalb der EU schlecht erreichbar.

Rezeption und Sanitärranlagen – etwas gewöhnungsbedürftig, aber blitzsauber und absolut funktional.

Zeit für einen Klosterbesuch ist aber trotzdem und wir sind echt erschlagen von diesem Eindruck. Ein absolut mystischer Ort!

Das Kloster Rila – wohl eine der wichtigsten religösen Stätten der Welt und das Zentrum der orthodoxen Kirche in Bulgarien.

Außerdem sind wir nicht mehr allein. Wir treffen Michael, der mit seiner Bimobil-Kabine auf dem Weg von Georgien nach Hause ist. Die Kabine zieht nach hinten und er hofft, dass die in Georgien geschweißte Naht am gebrochenen Fahrwerk seines Nissan Navarro hält bis nach Hause. Schwachstelle bei seiner Kombi ist das Gewicht der Kabine auf einem Doppelkabiner-Chassis. Das bedingt viel Gewicht hinter der Hinterachse und der Nissan ist nicht mehr der Jüngste.

Mit dem Ranger und der Kabine ist zum Glück alles bestens. Einzig nervend ist die Tatsache, dass die vielgerühmte ALDE-Heizung mit den Straßenverhältnissen große Schwierigkeiten hat und immer wieder Luft in den gemarterten Kanälen für Störungen sorgt. Ich muss die Heizung quasi jeden Abend entlüften.

Die Straße nach Mazedonien ist zum Glück sehr gut in Schuss, aber auf dem Weg wird uns einmal mehr bewusst, wie gegensätzlich dieses Land ist. Kurz vor der EU-Außengrenze passieren wir ein Zigeunerdorf und selbst beim Vorbeifahren ist der Gestank durch verbrannten Müll kaum auszuhalten. Einige Behausungen bestehen aus ein paar aufgeschichteten Ziegeln und Wellblech drauf. Vielleicht mögen die Roma in Rumänien ein freies und selbstbestimmtes Leben führen – dies hier ist auf jeden Fall das Ende der Zivilisation und ein Staat, der das zulässt, hat Hausaufgaben zu machen.

Wir passieren erstmals die EU-Außengrenze und brauchen rund eine halbe Stunde für den Übergang mit insgesamt 4 Stationen. Die LKW-Schlange ist etwa 3 Kilometer lang. ich mag mir nicht vorstellen, wie lange die Fahrer hier ausharren müssen.

Wir verlassen Bulgarien als ein Land, mit dem wir nicht wirklich warm geworden sind. Teils recht unfreundliche Leute, teurer als Rumänien und touristisch anspruchsloser. Auf der Plus-Seite: Grandiose Landschaften, tolles Essen und eine konsequente Karl-May-Atmosphäre. Wir bereuen nichts – kommen aber sicher auch nicht noch einmal wieder.

8. Etappe – Die Karparten bis nach Bukarest (28. April – 2. Mai 2019)

Wir stehen immer noch auf dem Platz bei Michelsberg, orientieren uns aber jetzt in Richtung auf unser neues Abenteuer: Die Karparten. Wir wandern über die sanften Hügel und finden überall die intensiven Spuren der Bewirtschaftung durch Schafhaltung. Es ist etwas Vorsicht geboten, denn die Hunde der Schäfer sind gefährlich und würden mit unserem Michel kurzen Prozess machen.

Unvorstellbar schön: Die Karparten

Auf unserem Weg kommen wir an einem Honig produzierenden Betrieb vorbei und der junge Besitzer drückt uns Gläser seines Honigs in die Hand. Es ist unglaublich und wir schämen uns dafür, wie wir Rumänen in Deutschland behandeln würden. Man muss sich das vorstellen: Diese Leute sind als Deutsche zu uns gekommen und wirklich nicht immer gut behandelt worden.

Wir treffen eine “echte” sächsische Familie und bitten sie, für uns ihre Sprache zu sprechen. Es ist völlig fremd und wir verstehen kein Wort. Deutsch sprechen die Sachsen perfekt und haben es in der Schule und im Elternhaus gelernt. Sie fühlen sich deutsch – wie ich – und ich fühle mich mies, dass ich das 58 Jahre lang nicht gewusst habe, dass ich hier Landsleute habe. Ich weiß so wenig über diese Welt. Ich frage den Bauern wie es ihm hier so geht und es kommt als Antwort das hier so typische Achselzucken: “Früher hat es hier eine Teppichfabrik gegeben mit 7500 Arbeitsplätzen, heute gibt es nichts mehr!” Ich mag nicht über den Preis der Freiheit reden, spüre aber, dass ihn das alles bedrückt – dass fast alle Sachsen weggezogen sind 1990, fort nach Deutschland, und keiner kommt zurück. Er versteht nicht, warum er nicht die gleichen Subventionen erhält wie deutsche Landwirte und auch nicht, dass ihn damals niemand vom Bahnhof abgeholt hat, als er als Erntehelfer kam und seine Koffer drei Kilometer bis zu seiner Unterkunft schleppen musste.

Im Zigeunerdorf ein paar Kilometer entfernt leben die Roma ihr Leben. Die Lokal-Politiker setzen sich dafür ein, dass sie das ungestört und entsprechend ihrer Traditionen machen können, denn am Wahltag organisieren die Familienchefs den gemeinsamen Gang zur Wahlurne. Viele Politiker in ländlichen Gegenden sichern sich mit der Gunst der fleißig wählenden Roma ihre politische Position. Auch das ist Rumänien

Wir schauen uns abends den Film “Dem Himmel so nah” über die letzten siebenbürger Schäfer an. Es berührt mich tief und ich frage mich, “Wo verorte ich das Glück?” und auch wie ich es schaffen kann, diesen Menschen hier zu sagen, dass sie reich beschenkt sind.

Ich bin so glücklich über diese Reise und darüber, was es mit mir macht, dass ich weinen könnte.

Der erste Monat ist um und hier einiges zur Statistik: Wir sind bei einem Tagesbudget von 45 Euro gelandet inkl. Diesel. Das ist gut, aber ich denke, dass wir das nicht halten können, wenn wir die Campingplätze bezahlen müssen. Bislang haben wir von 30 Übernachtungen nur 4 bezahlen müssen. Andererseits werden wir nicht noch einmal 2500 Kilometer in einem Monat fahren. Der maximale Tagessatz von 50 Euro ist gesetzt. In Summe ist das deutlich weniger, als mich das Haus in Deutschland gekostet hätte. Auf der negativen Seite bislang: Ich bin von einem Hund gebissen worden, Michel gleich zweimal und Sylvia von einer Zecke. Die Grippe haben wir beide gut überstanden.

Wir haben noch nichts verloren. Eine defekte Schublade konnte ich mit Leim wieder reparieren. Die Wohnkabine ist ohne jede Kritik und ist für diese Art Reise optimal. Beim Ranger macht mir der Adblue-Verbrauch etwas zu schaffen, beim Diesel liegt er konstant bei 12 Litern, egal was ich mache. Die Arbeit klappt gut, die 30 Gigabyte-Karte von Vodafone hat 4,90 Euro gekostet und hält schon 14 Tage. In Bulgarien werde ich wieder die insgesamt 4 Gigabyte nutzen können, die wir über unsere Handy-Verträge beziehen.

Es ist Freitag und wir haben für die 150 km nach Bran gut 4 Stunden gebraucht – das ist ein guter Schnitt. Wer so zügig unterwegs sein will, muss eine elektronische Vignette kaufen (6 Euro/Woche), um Schnellstraßen und Autobahnen nutzen zu können.

Am Schloss Bram wird mächtig auf Dracula gemacht, sogar das Bier wird blutrot eingefärbt und der Trubel errinnert mich an den Hexentanzplatz im Harz. Auf dem Campingplatz haben wir ein Pärchen aus Bukarest getroffen, die uns spontan einen Stellplatz in der Innenstadt angeboten haben. Wir werden am samstag die Hauptstadt Rumäniens ansehen. Die Tochter unserer Campingplatznachbarn studiert Ozeanologie in Hamburg, spricht perfekt Deutsch und schickt uns stündlich per Whatsapp Updates zu den Sehenswürdigkeiten. Wir sind sehr gespannt und gehen jetzt erstmal zur Schlossbesichtigung.

Ist weder von Wlad Tepes noch von Dracula jemals besucht worden – trotzdem ein mysteriöser Ort …

Der Gang durch das sehr gut erhaltene Schloss hat sich ganz gegen meine Erwartung zu einer sehr inspirierende Erfahrung entwickelt. Man kann das schlecht erklären, aber der Geist der Leute, die hier mal gelebt haben, ist noch spürbar. Das ist alles noch sehr viel zum Anfassen und die komplette Anlage wird mit sehr viel Fingerspitzengefühl instand gehalten. Authentizität bedeutet, Geschichte nicht zu verfälschen und sieht man mal vom missglückten Versuch ab, Dracula hier zu verorten, funktioniert das prima.

Am Abend kommt unsere Campingplatznachbarin Lena zu uns in den Camper und ich freue mich wieder mal wahnsinnig über ein tolles Gespräch. Das Schöne am Reisen ist, dass man solche Leute trifft. Die junge Aussteigerin (sorry Lena, aber das musste jetzt sein 😉 ) reist mit ihrem Freund durch Rumänien und erzählt uns von ihrem Leben in der Schweiz, wo sie in einem Bauwagen ein recht unkonventionelles Leben führt. Sie räumt tüchtig mit dem landläufigen Bild auf, dass wir gern von Schweizern haben.

Die jungen Leute reisen auch, um Antworten zu finden. Eigentlich wie wir, nur aus einer ganz anderen Perspektive: Sie haben das Leben noch vor sich und stehen vor wichtigen Entscheidungen – wir haben es fast hinter uns und fragen uns, ob wir die richtigen Entscheidungen getroffen haben. Uns eint eine spürbare Seelenverwandschaft im Bemühen, uns nicht einreihen zulassen und ich neide ihnen nur ein bisschen ihre Jugend und was sie schon alles erlebt haben.

Nun zu profaneren Dingen: Zum Glück funktioniert die Heizung wieder, die Nächte sind doch noch ziemlich kalt und der Haussegen hängt schnell schief wegen sowas. Die Alde-Heizung hatte von einem Moment auf den anderen den Betrieb aufgegeben . Mit den nötigen Hilfestellungen durch Adam Lentner vom Wohnkabinencenter geht’s wieder.

Uli und Volker sind gerne abseits der üblichen Routen unterwegs – ihr Wohnwagen muss dabei immer wieder Geländetauglichkeit beweisen.

Wir verabschieden uns von Lena und Cyrill und auch von Uli und ihrem Mann, die wir zuletzt in Hermannstadt getroffen hatten. Lenas Freund sieht nicht gut aus, er hatte die Polen rechts neben ihm nur nach einem Grill fragen wollen und war dann bei Bier und Schnaps hängengeblieben.

Ein tolles team: Lena und Cyrill aus der Schweiz.

Uli und Volker kamen spät in der Nacht auf dem Weg vom Donaudelta zufällig hier vorbei. Sie schwärmen uns vor vom Delta, aber wir müssen Prioritäten setzen und endlich in den Süden kommen. Bukarest ist schon ein Umweg – aber wer weiß, ob wir hier so schnell wieder vorbeikommen.

Auf dem City-Campingplatz stehen wir keine 5 Minuten und finden mit Jean einen supernetten Franzosen, der sich mit uns das Taxi ins Zentrum teilen will. Seit wir los sind werden wir von Menschen getragen die uns ein Stück begleiten, uns beeindrucken und prägen und dann wahrscheinlich auf ewig wieder verschwinden.

Die Zuverlässigkeit, mit der wir solche Leute finden ist immer wieder eine wunderbare Erfahrung. Wir waren früher oft unterwegs, aber dass wir mit so einer traumwandlerisch sicheren Wahrscheinlichkeit Menschen treffen, die uns an die Hand nehmen, oder die wir an die Hand nehmen ist eine völlig unerwartete Facette dieser Reise.

Wir hatten zu Beginn Angst davor, Langeweile zu bekommen, oder die Zwei/Einsamkeit nicht ertragen zu können.

Die Monumentalbauten – hier das Nationalmuseum – sind in einem Top-Zustand.

Bukarest: Gut, dass wir das nicht verpasst haben! Was für eine tolle und inspirierende Stadt, die so gar nichts mit Budapest oder Wien zu tun hat. Der Touristenanteil ist unter 1 Prozent und die Leute hier leben ein von südländischem Flair und östlichen Einflüssen bestimmtes Leben.

Jetzt kennen wir endlich eine studierte Meereswissenschaftlerin: Maria aus Bukarest.

Unsere Fremdenführerin Maria zeigt uns ihr Bukarest. Z.B. einen extrem stylischen Bücherladen oder ein frisch restauriertes Upper-Class-Restaurant in historischem Ambiente. Die Stadt gibt wirklich alles, um sich Besuchern als urbanes Zentrum eines liebenswürdigen Landes zu präsentieren.

“Nur” eine Bücherei im Stadtzentrum.

In Bukarest spürt man nichts von der Armut des Landes und es ist seit langer Zeit das erste Mal, dass mir eine Stadt dieser Größenordnung wirklich sehr gut gefällt. Vielleicht auch, weil hier der Müllwahnsinn des Landes etwas geordneter erscheint. Wer sich in Deutschland über achtlos weggeworfene Cola-Dosen aufregt, der sollte Rumänien als Urlaubsland meiden.

Innenhof einer rumänisch-orthodoxen Kirche mitten in der Stadt.

Die 2,5 Millionen Einwohner merkt man der Stadt nicht an, zumal man mit 6 Euro mit dem Taxi fast von einem Ende bis ans andere fahren kann. Apropos Taxi: Die Taxifahrer hier fahren nicht, sie fliegen. Ich bin niemals mit solchen Geschwindigkeiten durch zweispurige Kreisverkehre geschossen wie hier.

Die gehobene Gastronomie spart nicht am Ambiente…

Wir bedanken und bei Maria für die sympathische Stadtführung. Morgen gibt es einen Arbeitstag und Sylvia will zum Gottesdienst einer ev. Gemeinde fahren. Auf dem Campingplatz frischt Familie Micaud aus Frankreich unsere Französischkenntnisse wieder auf.

Wir reden über deutsche Schäferhunde und Michel hat gehörig Respekt vor Easy.

Ich weiß nicht, wo das all die Jahre gesteckt hat, bzw. wo Frau Wienand all die Vokabeln in meinem Hirn vergraben hat, aber wenn man muss, dann geht es irgendwann und wir unterhalten uns prächtig.

Avec plaisire et avec Easy: Madame / Monsieur Micaud.

Am Abend sitzen wir mit Steven und Jane aus Südengland zusammen. Er ist Schreiner und baut Weidenzäune und Tore, sie hat bei der Heilsarmee gearbeitet. Wahnsinnig interessant – nicht nur zum Thema Brexit. Steve ist politisch mindestens so “Grün” wie ich und es scheint uns unvorstellbar, dass “sein” Land die EU verlassen wird. Wozu? Warum? Wir sind Europäer.

Steven und Jane – Seit 40Jahren ein Superteam – It was a great pleasure to meet you!

Am Montag geht es denn endgültig Richtung Bulgarien.