Türkische Gastfreundschaft

Wir sind hier in Ost-Anatolien in einer Gegend gelandet, in der traditionelle Werte mit einer extremen Hartnäckigkeit gepflegt und auch verteidigt werden. Dies gilt insbesondere für das Verhältnis der Geschlechter. Hier essen die Männer getrennt von den Frauen, Kindererziehung ist reine Frauensache und das Patriarchat funktioniert noch wie vor 500 Jahren. Die Vorherrschaft des Mannes, insbesondere des Vaters und des ältesten Sohnes ist nicht diskutierbar und auch jüngere und gebildete Frauen unterwerfen sich diesem System – wenn auch vielfach in stillem Widerstand.

Letzten Endes entscheiden und bestimmen tut der Vater oder nach dessen Tod der älteste Sohn. Ich habe das Gefühl, dass viele Frauen das auch nicht in Frage stellen und sich sehr bewusst in diese Rolle fügen.

Natürlich ist die “Türkische Gastfreundschaft” ein besonders lebendiger Teil türkischer Tradition. Einladungen zu Tee und Kaffee gibt es nahezu bei jedem Kontakt mit allen Teilen der Bevölkerung. Spätestens nach 5 Minuten wird eine Einladung zum Essen ausgesprochen. Wir haben aber auch erlebt, dass eine solche Einladung dann auch mal vergessen wird und man wie bestellt und nicht abgeholt rumsteht und niemand kümmert sich um einen.

Es gilt als extrem unfreundlich, eine Einladung nicht auszusprechen – sie nicht zu erfüllen ist dann nicht ganz so tragisch.

Wir haben nirgendwo auf unserer Reise mehr Gastfreundschaft erleben dürfen wie in der Türkei – das ist unbestritten und dafür gilt dem ganzen Land unser herzlicher Dank.

Manchmal frage ich mich, warum das bei uns so ausgestorben ist. Ich glaube wirklich, dass ein realistisches Maß an Gastfreundschaft auch ein Evolutionsmerkmal ist und ein Zuviel an Gastfreundschaft irgendwann persönliche und auch gesellschaftlich relevante Probleme produziert, weil aus Aktion und reaktion zu oft zu unterschiedliche Dinge herausgelesen werden. Allerdings dürfte ein Zuwenig an Gastfreundschaft noch viel schlimmere Folgen haben…

Ein Gedanke zu „Türkische Gastfreundschaft“

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