Wir verlassen dankbar und tiefenentspannt den Ohrid-See und erreichen nach wenigen Kilometern die albanische Grenze. Das Zusammenpacken und Aufbrechen dauert mittlerweile keine 15 Minuten. Wir entschließen uns, den Norden auszulassen und direkt ans Mittelmeer zu fahren. Tirana muss leider wegen der Unruhen gestrichen werden vom Reiseplan. Apropos Unruhen: Trump macht mir Sorgen, denn wir wollen eigentlich auch in den Iran. Mal sehen, wie sich das entwickelt.
Direkt hinter der Grenze treffen wir die Jungs vom Verein “Deutsche Humanitäre Hilfe Nagold e.V.”, die mit zwei Trucks an der albanischen Grenze auf die Zollabfertigung warten. Nur ein paar Minuten und ein paar Sätze reichen und wir wissen: “Das sind wieder so Typen, denen das normale Leben zu wenig ist und die tiefer schürfen wollen in ihren Möglichkeiten.”
Wir fahren weiter Richtung Meer und erreichen Kavala. Auf dem Weg der erste Eindruck: Vom Armenhaus Deutschland nicht wirklich die Spur. Die Straßen sind gesäumt mit Ständen, wer seinen Wagen waschen lassen will muss nur rechts ran fahren.
Auf dem Campingplatz verkaufen zwei Mädchen Obst und Gemüse, die Wartezeit überbrücken sie kichernd mit ihrem Handy.
Der Campingplatz ist schön gelegen, aber eindeutig keine Karawanserei-Station in Richtung Osten. Die Menschen gehen aneinander vorbei, ein kurzer Hallo, das war’s. Hier werden wir nicht alt. Morgen werden wir weiter nach Vlore und dann nach Borsh fahren, wo wir vielleicht ein paar alte Bekannte vom Campingplatz Rino treffen, der uns jetzt schon fehlt.Vlore ist eine lebendige Touristenstadt und der Campingplatz ist wieder ganz nach unserem Geschmack und natürlich treffen wir sofort wieder nette Leute.
Ab Vlorae geht es weiter zum legendären Llogara-Pass. Die Anhöhe markiert das Ende des Einflussbereiches von Alexander dem Großen und seiner Idee von “Groß-Griechenland”.
Der Pass fasziniert mit fantastischen Weitblicken und die Albaner zeigen, dass Mut alles ist, was Autofahrer brauchen. In Albanien ist der Mercedes ein Statussymbol. Ich habe noch nie so viele alte S-Klassen auf einem Haufen gesehen.
Albanien nimmt auf der Südseite des Passes einen unwiderstehlichen mediterranen Charme an. Agaven, Kakteen und Palmen und das Leben findet auf den Straßen statt. Ich krame die Sonnenbrille raus, weil alles so licht, hell und strahlend ist. Und sauber: Albanien ist der bislang aufgeräumteste Balkan-Staat, den wir passieren.
Wir erreichen die Bucht von Borsh und nach der Wegbeschreibung “wenn’s nicht mehr weitergeht dann rechts” treffen wir Ines und die Ostfriesen hier am Strand. Abends kommt der Fisch auf den Tisch und das Lagerfeuer kämpft erfolgreich gegen die Frische der Nacht an.
Am frühen Morgen kommt der Ziegenhirte auf ein Pläuschchen, bevor er seine Herde in direkter Linie den Fels hinauf treibt. Am Nachmittag müssen wir einen Fernseher finden, weil Alfred den Kickers aus Emden beim Aufsteigen zusehen muss.
Thema Sicherheit: Wie schon vorab in Rumänien haben wir in Albanien ALLE Vorurteile über Bord geworfen. Für mich ist mittlerweile klar: Die wirklich bösen Menschen leben in den führenden Industrienationen- vor denen sollten wir uns fürchen, nicht vor den Albanern, vor denen als allerletztes.
Wir haben hier weder diebisches Landvolk, abzockerische Parkplatzwächter noch korrupte Polizisten erlebt und ich frage mich nicht ein allererstes Mal auf dieser Tour: Wer hat einen Vorteil darüber, dass wie so schlecht über die Leute außerhalb Deutschlands denken?
Schlechte Nachrichten von unserem Iran-Kontakt: Mit dem Ford Ranger bekommen wir nur ein 5 Tage-Visum für den Iran und für 5 Tage lohnt der ganze Aufwand nicht. Vorläufiger Plan nach dem Wegfall Irans als Transit für den Rückweg: Nach dem Kaukasus werden wir Richtung Osten das Kaspische Meer umfahren bis zur Turkmenistanischen Grenze. Von hier aus denn per Schiff nach Baku in Aserbeidschan und dann entlang der türkischen Schwarzmeerküste nach Istanbul.
Der dritte Tag in der Bucht von Borsh führt uns, Ines und die Ostfriesen hoch auf den Berg zur Burg von Borsh. Das baufällige Gebäude versprüht einen Hauch von Morbididät, der sich nur bei absolut orginalen und nicht restaurierten Denkmalen einstellt.
Auf dem Rückweg besuchen wir eine Restaurant, das mitten über einem Gebirgsfluss auf Stelzen steht.
Abends sitzen wir wieder am Lagerfeuer, auch Vera und Waclav aus Prag bringen etwas zu Essen mit – Wir braten Kartoffeln in der Glut und essen die Matjes, die Alfred schon seit Wochen durch Europa transportiert .
Mich beschäftigt die Frage, ob ich dieses Land bereisen darf, oder ob ich es aus Solidarität zu den Regierungskritikern bleiben lassen soll. Meine Güte: Wo fängt das an? Dann darf ich ja nicht mal mehr in die Uckermark fahren. Nein, ist schon gut so und die Albaner freuen sich über uns. Zumindest arbeiten wir hier bei Matjes und Raki im Rahmen unserer Möglichkeiten am Haus Europa.
Wir können Ines überreden, mit uns die Bergstrecke nach Vlora als Alternative zum Llogada-Pass zu versuchen, aber sie hat schon nach ein paar Kilometern “kein gutes Gefühl” und bricht ab.
Andreas, den wir in Borsh kennengelernt haben, fährt vor und wir folgen seinem Allrad-Daimler.
Die Tour macht einen Riesenspaß und macht das bisherige Highlight unserer Reise aus. Unvergleichbare Ausblicke und eine Szenerie fernab jeder Zivilisation.
Ich habe da bislang nichts Ähnliches erlebt. Der Ranger schraubt sich souverän durch die engen Kehren und ich freue mich über jedes PS.
Wirklich befahrbar ist diese Straße aber wirklich nur im klassischen Sinn: Mann kommt irgendwann an.
Nach knapp 50 Kilometern hat das Holpern ein Ende und wir fahren auf einigermaßen erträglichen Straßen. Bis zur nächsten Nationalstraße sind es noch 4 Kilometer. In einem kleinen Dorf kaufen wir für’s Abendessen ein.
500 Meter nach dem Ortsausgang verabschiedet sich der Motor und wir stecken fest. Ferndiagnose aus Deutschland hilft nix und auch die 10 albanischen Köpfe, die unter unserer Motorhaube in den Tiefen des 6-Zylinders verschwinden, wissen keinen echt wirksamen Rat.
Da hilft nur Abschleppen. Ein Albaner kümmert sich um alles und 2 Stunden später wird der Ranger auf einen klapprigen Abschleppwagen gezogen – da klappt mal so grad eben – und los geht der Höllentripp.
In einer der ersten Kurven schleudert uns ein mit 5 finsteren Albanern besetzter Rangerover entgegen und hechtet aus Platzmangel in den Straßengraben. Unser Fahrer setzt zurück, zieht eine Art Spanngurt unter seinem Sitz hervor, verknotet die beiden Fahrzeuge und zieht den Rangerover aus dem Loch. Dabei wird kaum ein Wort gesprochen und vor allem auch gar nicht geschaut, ob da irgendwas kaputt gegangen ist. Die fünf wuchtigen Albaner steigen wieder ein und brausen los.
Unser Fahrer hantiert mit zwei Handys, zündet sich mit Streichhölzern eine Kippe an. Aus einem billigen Lautsprecher scheppert orientalische Pop-Musik. Zur Krönung kommt bei voller Fahrt noch sein Kumpel oben aus dem Ranger geklettert, weil er auch ‘ne Kippe will.
Die Asphalt-Artisten haben uns nach Vlore gebracht. Hier haben die sympathischen Abschlepper den Ranger am nächsten Morgen wieder abgeholt und zu Ford nach Tirana transportiert. In der nun auf ihren eigenen Beinen stehenden Kabine warten wir nicht gerade am übelsten Platz der Welt auf unser Auto. Metti, der Besitzer von Camping Vlore ist einer der freundlichsten und hilfsbereitesten Menschen die ich auf meiner Reise kennenlernen durfte.
Camping Vlore ist meine Empfehlung für Camping in Albanien
Der zweite Tag ohne Auto. Wir gammeln rum und freuen uns, dass Ines wieder bei uns ist. Am Abend kommt auch mein Offroad-Begleiter Andreas auf den Platz – in ziemlicher Dunkelheit, denn die ganze Bucht ist für Stunden ohne Strom. Andreas und Diana wollen morgen von Vlore nach Bari übersetzen. Die Option kommt für uns auf dem Rückweg in Betracht.
Der dritte und vierte Tag: Lost in Albania – wir leben zwar wie die Made im Speck auf Camping Vlore, aber die Made langweilt sich. Ines fährt heute weiter und vom Auto gibt es nichts neues.
Ich habe mich mit Mettis Onkel über die politische Situation in Albanien unterhalten und er sagt, dass das Problem nicht allein die schlechte Regierung wäre, sondern vor allem, dass es keine Opposition gäbe. Der Onkel war ein hochrangiger Militär und kann mir einiges über die Entwicklung Albaniens seit Hodschas Tod in den 80er Jahren erzählen. Wieder merke ich, dass die Albaner ein ganz feines Volk sind – mindestens ebenso europäisch wie die Rumänen oder Bulgaren. Die Albaner sind sich ihres Potentials bewusst und jammern nicht rum, das liebe ich an denen.
Wir selbstgefälligen Westeuropäer werfen ihnen vor, dass das alles nicht schnell genug geht. Man muss sich mal überlegen, was hier vor 40 Jahren los war und viele Albaner haben das noch miterlebt. Noch heute stehen an allen strategisch wichtigen Punkten Hodschas 1-Mann-Bunker, in denen jeweils ein junger Albane mit der Kalaschnikow im Anschlag die bevorstehende Invasion der Westmächte erwartete.
Wer aufmerksam spazierengeht, der findet in Albanien ein sehr artenreiches Bodenleben vor. Schlangen, Eidechsen, Ratten – das Highlight bislang war diese griechische Landschildkröte.
Und dann endlich: Es ist Mittwoch und ich habe den Ranger aus Tirana abgeholt. Er läuft wie am Schnürchen, leider kann mir niemand sagen, woran es gelegen hat, wahrscheinlich ein lockeres Kabel. Als ich auf dem Campingplatz die Kabine montieren will sehe ich, dass die vordere linke Befestigungsöse abgerissen ist. Das Eisen ist total rostig und ich gehe davon aus, dass wir mit dem Schaden schon seit Rumänien rumfahren. In einer kleinen Werkstatt bohrt mir ein freundlicher Albaner die sechser Löcher auf, hinterlegt neue Muttern und tauscht die viel zu dünnen Schrauben gegen wirklich wuchtige Brummer aus. Der Spaß kostet mich 12 Euro. Er empfiehlt mir, das auf der anderen Seite auch noch zu machen. Da ich mir in der Türkei eine Winde montieren lassen will wird das da in einem Abwasch gemacht.
Wir sind jetzt 2 Monate unterwegs, da geht halt mal was kaputt.
Auf dem Weg nach Griechenland fahren wir durch das albanische Hinterland, wo noch vor 5 Jahren erbitterte Kämpfe um die Hoheit in den Cannabis-Anbaugebieten ausgefochten wurden. Hier stand ein ganzer Landstrich unter Kontrolle der Drogenmafia, die 4 Milliarden Euro pro Jahr mit Cannabis umsetzte. Wie unzugänglich die Region ist mag man an diesem Brückenbauwerk ermessen, das sich rund 150 Meter über eine malerische Schlucht spannt. Ich wäre zur Krönung des Vatertages gerne drübergefahren, aber als der eine Albaner sagte “Geht” und der andere “Besser nicht!” haben wir uns doch dagegen entschieden.
Albanien ist wunderschön hier und wird uns zunehmend fremdländischer, wenn nicht sogar orientalischer. Das Navi radebricht mit den Straßennamen wie “Ali Pashe Tempelena Road”.
Der Tag klingt auf dem Campingplatz in Gjirokaster aus. 100 Kilometer vor der griechischen Grenze mutet Albanien mehr und mehr wie ein Zeichnung aus einem Karl May-Band an.
Camping Gjirokaster beherbergt uns für 8 Euro die Nacht und das Restaurant empfiehlt sich mit feinster albanischer Küche.
Hallo
Ich kam nun endlich dazu mal euren Blog zu besuchen und zu schauen wie die Geschichte mit eurem Fahrzeug ausging. Zum Glück einigermassen glimpflich. Ich erinnere mich gerne an Albanien zurück, einfach ein wundervolles Land das ich bestimmt wieder besuchen werden – dann aber auch mit Off Road Fahrzeug.
Bin seit 2 Wochen wieder in der Schweiz, die Reise habe ich offiziell beendet und bin nun auf Jobsuche.
Wünsche euch weiterhin viel Spass und schöne Erlebnisse.
Lg Jeanne mit Piwo
Hallo Jeanne, ja, bei uns bleibt es spannend. Wir genießen gerade Georgien – ein unglaubliches Land, das dir auch gefallen würde. Wir freuen uns, auf dem Rückweg bei Metti in Albanien Station zu machen – auch wenn wir da alleine stehen 😉
Lass mal wieder von dir hören
LG Udo und Sylvia, und Michel lässt den Piwo schön grüßen.
Hallo ihr Lieben,
na, wo seid ihr grade?
Wir sind jetzt (seit letzten Donnerstag) in def Türkei (in der Nähe von Alanya).
Reist ihr auch noch durch die Türkei?
Leider haben wir nicht jeden Tag WLAN.
Falls ihr hier in die Nähe kommen solltet, hier unsere türkische Handynummer: 0090 531 713 2695. Darüber sind wir hier immer erreichbar.
Lasst es euch weiterhin gut gehen!
Liebe Grüße
Karin und Bernd
Hallo Karin und Bernd!
wir werden so ab Anfang Juli im Westen und Süden der Türkei unterwegs sein, bevor wir über Georgien, Russland, Kasachstan, Aserbeidschan, Armenien (und noch mal Georgien) wieder in die Türkei fahren. Die Einreisebestimmungen für Kirgisistan und Usbekistan haben sich sensationell vereinfacht – vielleicht nehmen wir noch ein Stück Seidenstraße mit, aber das werden wir dann vor Ort entscheiden. In den iran kommen wir leider mit unserem Auto nicht hinein….Zu Zeit sind wir in Griechenland, etwa 100 Kilometer unter Patras. Wie lange seid ihr in der Türkei? Dein Plan erweist sich hier als sehr hilfreich!!! Danke nochmals dafür!
Viele Grüße Sylvia und Schmalli
Hallo ihr Zwei, euch viel Spaß!
Und Danke für die schönen Worte.
Andreas & Diana
Hallo ihr zwei, diese Piste ist m. E. auch nur mit einem Muli zu überwinden, aber nicht mit einem Auto :O.
Ich hoffe, dass der Schaden für die Experten schnell reparabel ist. Genießt die Zeit vor Ort und vielleicht solltet ihr euren fahrbaren Untersatz zukünftig etwas schonen.
LG Mechthild
Hi Mechthild, denke, dass der Schaden nix mit der Straße zu tun hat. Für sowas sind so Autos gebaut, das müssen die abkönnen. Danke für deine treue Leserschaft!!!!
Und Grüße auch von Sylvia
LG Schmalli
Hallo Euch beiden plus Hund, heute habe ich etliche Etappen nachgelesen. Schon sehr interessant zu lesen, was Ihr bis jetzt alles erlebt habt. Ich finde nach wie vor Eure 1 Jahresauwanderung sehr mutig , aber auch spannend. Ich wünsche Euch weiterhin viel Spaß, wenn man das so sagen kann und viele neue Erfahrungen/Erlebnisse und bleibe Eure treue “Verfolgerin” LG