Minus 48 Tage – Schlimmer kann das nicht werden

Schlimmer kann’s nicht werden – also nehme ich den 12. Februar 2019 einfach mal als kalendarischen Punkt daher, der in der Chronologie der Ereignisse die Wende markiert. Es ist 5 Uhr morgens, es ist schweinekalt und ich liege schon seit einer Stunde im Bett und kann nicht schlafen, weil ich nicht weiß, wie ich das Klavier ins Auto kriegen soll. Draußen schneit’s, das Fenster vor mir ist ein schwarzes Loch und ich frage mich, warum muss jemand jetzt an diesem Ort sein?

In meinem Hirn rumoren derzeit zwei Prozesse, die ich nicht steuern kann und meine bisherige Taktik zur Krisenbewältigung funktioniert nicht mehr. „Einfach mal was wegarbeiten!“ hat in der Vergangenheit immer funktioniert. Da konnte sich gegen mich verschwören was will, irgendwann hatte ich den jeweiligen Berg der Probleme abgearbeitet und in machbare Schritte portioniert. Aus Sorgen wurden Aufgaben.

Derzeit bin ich weit davon entfernt, einen Überblick über die Machbarkeit meiner Schritte für den nächsten Tag zu haben und mein Tinnitus kreischt die Begleitmusik.

Prozess 1

In meinem Kopf geht ein riesiges Tetris-Spiel ab. Die Blöcke kommen relativ langsam von der Decke herab, aber sie kommen unablässig – noch krieg ich das hin, aber ich merke, dass die Geschwindigkeit zunimmt und das Spiel mir derzeit keine Pause gönnt.

Prozess 2

Wenn ich zur Ruhe kommen möchte eröffnet sich ein zweites Spiel: Jump `n Run in feinster Super-Mario-Manier. Ich hüpfe von einer schwimmenden Schildkröte zur anderen und mit jedem Schritt entfernt sich das Ziel weiter, während unlösbare Aufgaben die Wege versperren.

Im Schlaf kommen die beiden Bilder zusammen und ich träume wie immer in schwierigen Situationen meine „Ich kann das nicht rechtzeitig schaffen-Träume“, in denen ich stets wichtige Verabredungen versäume, weil auf dem Weg immer was Unvermeidliches schiefgeht.

Derzeit raubt ein Klavier mir den Schlaf: Es ist Dienstagfrüh und am Donnerstagabend kommen meine Freunde, um das Klavier meines Sohnes in einen Lieferwagen zu verfrachten und auf den Weg nach Berlin zu bringen. Es hat hier fast 20 Jahre gestanden ohne mehr Probleme zu machen als Staub anzuziehen und ab und an schier unerträglichen Lärm zu machen.

Ein zu transportierendes Klavier gehört derzeit zu den Aufgaben, die mir in der Organisation der Teilschritte und der Notwendigkeit, die erforderlichen Abläufe zu optimieren, arge Probleme bereiten. Und es ist nur ein Klavier. Da gibt es ganz andere Sachen…

Nebenbei wickele ich gerade einen Hausverkauf ab, ordne meine Selbständigkeit für ein Leben als „Digitaler Nomade“ neu und versuche die Unmöglichkeit zu meistern, 12 Monate ohne festen Wohnsitz sein zu können. Meine Kinder würden mir raten: „Geh meditieren!“ Gut, die Zeit hab ich grad nicht und ich bereue, die zur Stressbewältigung notwendigen Techniken mir nicht beizeiten angeeignet zu haben – aber es ist wie es ist. Wenn Schweine fliegen könnten – können sie aber nicht.

Was da los ist? In der Analyse dieser Sachen, die mich derzeit schlaflos machen, ist es die nicht zu meisternde Vielzahl von Dingen, die zu erledigen sind, bevor es am 1. April auf die große Reise geht.

Da hülfe mir nun auch die Meditation wenig, denn wenn ich mich jetzt nicht um die Impfung für meinen Hund kümmere, komme ich eventuell in sechs Monaten nicht wieder aus Marokko heraus und strande dort für ein trostloses Nomadenleben in irgendeiner Sandwüste, die zu finden wieder einen Plan braucht…ein Problem bedingt das nächste. Es scheint ein ewiger Kreislauf, dem ich nur entrinnen kann, wenn ich mich wieder in den Ameisenhausen zurückziehe, der mein altes Leben ist.

Liebeskummer, Zeugnisstress, Unfallfolgen – egal was meine Kinder in vergangenen Zeiten traumatisierte: Mein „Was soll passieren, morgen früh geht die Sonne wieder auf!“ kann mich derzeit nicht selbst motivieren – also verfalle ich wieder in mein altes Muster und arbeite Dinge weg. Es ist 5 Uhr in der Früh, und ich habe den ersten Beitrag für mein Lebenswerk „Aussteigen für ein Jahr“  – wie vorliegend – fertiggestellt.

Es ist zwar noch nicht mehr als das hilflose Gestammel einer ewigen Dramaqueen, aber es ist ein Tetris-Block, der gut einsortiert wurde und eine weitere Schildkröte, die ich hinter mir lasse . Go Mario, go!

Es ist 6 Uhr früh und jetzt geh ich auch nicht mehr ins Bett, denn es gibt noch ein paar Dinge zu tun. Ich verabschiede mich von der nervigen Suche nach einer Domain für meinen Blog und verwende einfach mein geliebtes virtuelles Stammhaus „talking-text.de“ als Subdomain des zukünftigen Reiseblogs „Aussteigen für ein Jahr – von Udo Schmallenberg“ und ich habe grad jetzt eine Idee für ein Logo: es wird ein stilisierter Papageientaucher sein – ein Vogel, der die Welt beherrschen könnte, wären nur seine Fähigkeiten ein wenig anerkannter und sein Flugstil etwas majestätischer.

Eben noch eine Mail an Janes, der ist Künstler und kann sowas und immerhin ist es sein Klavier – und da sind sie wieder, meine kleinen Schritte…

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