18. Etappe: Marokko (3. Febuar – 9. März)


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Wir sind jetzt zwei Tage in Marokko und uns ist klar, das hier wird das eigentliche Abenteuer unserer Reise vom Kaukasus in die Sahara. Marokko ohne Abenteuer – das geht gar nicht… Klar ist aber auch, dass wir hier noch mehr als bisher gezwungen sein werden, unser Selbstbild das “Reisende” und unser Verhältnis zum Gastland kritisch zu hinterfragen.

Die Schönheiten des Landes und die Fülle an Abenteuern sind nicht umsonst zu haben. Da wo es schön ist, wird natürlich auch versucht, mit den Touristen Geld zu verdienen – und es ist absolut ok, dass jeder ein Stück vom Kuchen abhaben möchte. Natürlich nervt das, aber würden all die Händler, Schuhputzer und Wegweiser nicht nerven, dann würden sie auch nichts verdienen.

Aber mal abwarten – Ich schwing Reden und bin erst grad mal seit 3 Tagen hier… Die Einreise war auf jeden Fall – auch mit Hund – extrem lässig. Waren und Dienstleistungen erscheinen uns günstig, aber ich denke, hier läppern sich kleine Beträge.

Wir sind jetzt seit drei Tagen auf einem Campingplatz in Moulay-Bousselham. Man lebt hier in den Tag hinein und bereitet am Abend das tolle Gemüse zu, das einem hier für ein paar Cent bis ans Wohnmobil geliefert wird. Am Platz selbst ist seit mindestens 10 Jahren nichts mehr gemacht worden, aber die Atmosphäre ist schön. Im benachbarten Fischerdorf besuchen wir unseren ersten Souk. Die verwinkelten Gassen der traditionellen Märkte sind eine Farb- und Geruchsexplosion.

Nächste Station auf dem Weg nach Marrakesch ist die alte Königsstadt Meknes. Wir fahren weiter mit Ralf und Birgit.

Hier landet der fangfrische Fisch für die Restaurants rund um die Lagune.

Wir sind nun den zweiten Tag in Meknes und haben einen Stellplatz in der Nähe es Zentrums gefunden. Wir haben sehr intensiv die Medina und die Souks der uralten Königsstadt durchwandert und dabei ausnahmslos nur freundliche und zuvorkommende Menschen erlebt. Natürlich will der Schlangenbeschwörer etwas sehen für seine Vorstellung, und natürlich hofft das dressierte Äffchen im BVB-Trikot auf ein paar Dirham- aber warum denn auch nicht? Wo bliebe denn unser Traumbild von 1000 und einer Nacht ohne diese ganzen Akteure, die sich damit kaum soviel zusammenverdienen können, dass es zum Überleben reicht? Die Kinder freuen sich über unsere Süßigkeiten oder ein paar Cent. Immer wieder denke ich an den eigentliche Sinn unserer Reise : “.. mich von einer grundlosen Angst zu befreien und von jetzt ab und für immer  in einen nüchternen und warmen Kontakt mit den Menschen zu kommen!“ (aus Alexis Sorbas). Das kann man hier gut üben, besser als irgendwo sonst…

Mit Hund in Marocco – Zumindest für Michel kein Problem, der fühlt sich pudelwohl hier…

Von Mekknes aus geht es in die Berge. Die Gegend um Ifrane wird auch als “Schweiz Marokkos” bezeichnet – wegen der Berge und wegen der reichen Leute hier. Der Campingplatz bei Azrou ist auf jeden Fall hervorragend und lässt wirklich keine Wünsche offen. Am Morgen wird in der kleinen Sanitäranlage sogar ein Holzofen angefeuert.

Der “Berber-Whiskey” wird in zwei Kannen serviert: Einmal süßer Tee , einmal ohne Zucker

Wir wandern Richtung Schnee und haben unseren ersten Kontakt mit frei lebenden Berberaffen im Ifrane-Nationalpark. Ein LKW-Fahrer nimmt uns ein Stück mit und auch wenn die Kommunikation nicht klappt verstehen wir uns prächtig. Vor allem wenn man versucht, das Gespräch auf Borussia Dortmund und den Marokkaner Hakemi bringt, blühen unsere Gastgeber auf.

Während unsere Erkältungen langsam abebben und ich nicht mehr nächtlang durchhuste, hat es Ralf jetzt voll erwischt und er will sich ein Paar Tage auf dem Camping auskurieren. Nach fast 14 Tagen mit dem Pärchen aus Aachen trennen sich unsere Wege und wir verabschieden uns Richtung Marakesch. Für die Fahrt über den mittleren Atlas wählen wir recht entlegene Nebenstraßen und landen mehrfach auf Pisten, die hier als Hauptverbindungsstraßen dienen. Für sowas ist das Auto gebaut und wir kommen trotz schlechter Verhältnisse sehr schnell voran, weil man ohne jeglichen Gegenverkehr zügig fahren kann. Hier im Hochland des Mittleren Atlas präsentiert sich Marokko erstmals als das weite und heiße Land, das wir uns vorgestellt hatten.

An einem See im Hochland (kurz vor Azilal) dann ein ganz anderes Marokko: grün wie im Urwald und Wasser ohne Ende. Auf dem Camping L’eau Vive genießen wir eine tolle Aussicht, ein mildes Klima und absolute Ruhe. Wir bleiben zwei Tage und müssen dann leider los. Ella landet in drei Tagen in Marrakesh.

Die Straßenverhältnisse wechseln hier sehr drastisch.

Wir kommen nach einer ziemlich anstrengenden Fahrt bei Reinhard und Eischa Schatz in Marakesch an. Die Anlage ist der Hammer und die Familie ein echter Schatz. Abends ist Stuhlkreis und die Wohnmobilisten erzählen sich ihre Geschichten.

Immer wieder geht es auch im Erfahrungen, die weitreisende Globetrotter z.B. in Namibia oder Botswana machen. Ich werde dabei immer dünnhäutiger wenn es darum geht, dass “der Schwarze” die Faulheit im Blut habe und man müsse nur lange genug mit dem Wohnmobil durch Schwarzafrika fahren, um das bewiesen zu bekommen. Mit dem Satz “Die haben jedes Recht so zu sein wie sie wollen, denn es ist ihr Zuhause und wenn dir das nicht passt, dann fahr nicht in ihre Länder!” habe ich mir – glaub ich – keine Freunde gemacht. Jemand sagt: “Die lassen die Tiere in den Nationalparks verrecken wenn man nicht aufpasst!” In Mitteleuropa gibt es überhaupt keine wildlebenden Tiere mehr – wenn man von den Kreaturen absieht, deren Jagdbarkeit noch ein Wirtschaftsfaktor ist.

Wollen wir den Afrikanern zeigen, wie Wildtiermanagement funktioniert? Da dreht sich der Problembär vor Lachen im Grabe herum. Wir sind alle megaprivilegiert, dass wir hier mit unseren fetten Autos rumkurven können. Aber vergessen wir dabei nicht: Es ist nicht unser Land, und Respekt ist ein Minimum, das man den Leuten hier entgegenbringen kann. Beleidigt zu sein, dass man hier die kleinen Probleme der Privilegierten nicht ernst nimmt, das ist für mich Kolonialismus.

Große Teile Marokkos wären heute noch grüne Oasen, hätte man das Wasser nicht für Golfplätze, Hotel-Swimmingpools und Park-Bewässerungen verschwendet oder mit gewinnbringenden Lizenzen die Nutzungsrechte an Quellen an Coca-Cola oder Nestle übertragen. Reisen bildet – das ist klar, aber macht es automatisch klug? Wir treffen viele Menschen, für die ist das Modell “Soziale Marktwirtschaft” – eingebettet in einen kompromisslosen Kapitalismus – immer noch etwas, von dem man die ganze Welt überzeugen muss.

Familie Schatz und ihr Schloss bei Marrakesh – Ein “MUSS” für jeden Afrika-Reisenden.

Ich merke langsam, wie Marokko uns abschließend formen wird und unserer Reise den Sinn gibt, den wir uns erhofft haben, Wie viel mehr kann mir ein Land geben? Danke dafür Marocco.

Auf dem Weg in den Süden überqueren wir den Hohen Atlas auf einer Passhöhe von 2500 Meter. Wieder machen wir gute Erfahrungen damit, die Hauptverkehrsstränge zu verlassen und auf Nebenstraßen auszuweichen. Die Straße von der Passhhöhe hinab ins 1000 Meter tiefer gelegene Telouet ist nagelneu und ohne ein Schlagloch. In Telouet stehen wir auf der Terrasse eines Restaurants, wo man sich aufopfernd um uns kümmert und uns jeden Wunsch von den Lippen abliest. Ella und Sylvia besuchen eine Argan-Kooperative und ich freue mich, endlich mal wieder ordentliches Internet zu haben.

Wir zahen 30 Euro für ein Abendessen für 3 Personen und stehen dafür kostenlos inkl. Strom, Wlan, sowie Wasser-Ver- und Entsorgung. Am nächsten Morgen schauen wir uns die verfallende Kasbah an, die in einigen noch gut erhaltenen Bereichen etwas an die Alhambra erinnert. Der anschließende Weg durch den Atlas führt am Rande einer spektakuläre Schlucht entlang und wir erreichen auf Nebenstrassen den bekannten Ait Ben Haddou.

Spektakuläre Straßenführungen im Hohen Atlas.

Hier wurden bekannte Blockbuster wie z.B. Gladiator gedreht. Leider ist ein echtes Genießen dieser spektakulären Stätte nicht möglich, denn in den winkeligen Gassen des Weltkulturerbes reiht sich ein Andenkenladen an den anderen.

Die Abendsonne zaubert ein unglaubliches Licht auf den Berg

Wir fahren die 300 Kilometer nach M’Hamid an einem Stück. Bis ans Ende der Welt sind die Straße gut ausgebaut. Wir übernachten am Rand der Wüste und genießen einen tollen Sonnenuterang beim Klang eines schweizer Alphorns. Dann die Wüste. Statt der erhffte Schotterpiste gibt es von Anfang an viel Sand. Der Ranger kommt gut durch, aber für meine Beifaherinnen ist das kein Vergnügen, sodass wir es diesmal beim Ausprobieren und Genießen belassen

Der Ranger in der Wüste – Es geht, aber Reifen, Gewicht und Schwerpunkt sind optimierungsbedürftig.

Das obligatorische Herumtoben auf den Dünen macht Spaß, aber irgendwann merken wir, dass einem der Sand wirklich in jede Ritze zieht.
Sahara-Sand – wie Puderzucker.

Wir belassen es für diesmal dabei und ich bin heilfroh, wieder heil aus den Dünen herauszukommen, ohne steckenzubeiben. Die Landschaft ist grandios, aber es weht ein scharfer Wind und der Sand ist unvorstellbar hartnäckig. Wir sind allein und ich weiß nicht, was passiert, wenn ich hier nicht mit Vollgas durchfahre.

Es geht zurück nach Zagora. Hier kümmert sich das Team von “Zagora Sahara” ausnahmsweise mal nicht um die Teilnehmer der Rallye Paris-Dakar, sondern um die kleinen Steinchen in meiner Bremse, die einen Mords-Radau verursachen.

Irgendetwas ist immer: Hier sind es Steinchen zwischen den Bremsbacken.

Der Weg nach Tata im Grenzland zur West-Sahara zieht sich, wir fahren knapp 300 Kilometer geradeaus durch die Steinwüste und bekommen einen Eindruck, wie weitläufig Afrika ist. In Tata auf dem Camping verstellt Michel mit seiner Leine die Satelliten-Schüssel unserers Nachbarn und der macht ein Mordstheater. Langsam freue ich mich wieder auf zu Hause. Mir ist das alles zu kleinteilig und parzelliert. Morgen geht es an den Atlantik, wo es angeblich etwas entspannter zugehen soll.

Auf der Reise durch den Antiatlas Richtung Agadir wird mir immer bewusster, dass wir – also Afrikaner und Europäer zusammen – dieses Kahn vor die Wand fahren werden. Abgeben, aber auf nichts verzichten wollen wird in Deutschland nicht funktionieren. Mit Entwicklungshilfe oder Programmen zur Eindämmung der Migration wird man hier in Marokko nichts erreichen. In der Gegend um Tata ist es ein einträgliches Geschäft, durchreisenden Schwarzafrikanern das Geld abzunehmen für diverse Schlepper-Dienstleistungen. Mit anderen Sachen kann man hier kein Geld verdienen.

Und selbst, wenn es den Marokkanern gelänge, den Anschluss zu finden. Wo soll der ganze Müll hin, wo sollen all dieAuto fahren und aus welchen tiefen Minen will man nach den Rohstoffe für all die Handys, Computer und Batterien graben. Hier in Marokko wird in absehbarer Zeit ein Krieg ums Wasser beginnen und die Not wird die Leute nach Norden treiben.

Ab und zu mal ein Dromedar – mehr bekommen wir auf der Tagestour nach Tata nicht zu sehen

Wir fahren rund 200 Kilometer durch den Antiatlas von Tata nach Tafraout und genießen die schönste Straße, die wir bislang fahren durften. Auf der gesamten Strecke passieren wir vielleicht 4 Dörfer, keine Tankstelle, nur ein Kiosk, in dem wir uns für 3 Euro mit Cola, Chips und Süßigkeiten für 3 Personen eindecken.

Auf dem Weg passieren wir eine Dromedar-Herde mit mehr als 200 Tieren. Ein unvergleichliches Erlebnis.

In Tafraoute hat man sich ganz eigen auf den Wohnmobiltourismus eingestellt. Hier gibt es einen riesigen Platz, auf dem man für 1,50 Euro stehen kann und alle notwendigen Dienstleistungen kommen bis an die Wohnmobiltür. In der Stadt gibt es eine Entsorgungsstation und wirklich jeder hier hat sich auf die Gäste eingestellt, die quasi in einem eigenen Stadtteil leben.

“Du weißt fei scho, dass die morgen wiederkommen?” rüffelt mich unsere Nachbarin, nachdem wir Kindern Stifte, Süßigkeiten und etwas Obst gegeben haben. Sie regt sich auf, dass der Vater die Kinder zum Betteln mit dem Auto herbringt zum Campingplatz. Ist ja wie bei uns, denk ich ans Lütgefastnachtsingen, Sternsinger- oder Halloween-Gespenster-Eskorten. Da werden die Kinder auch oft mit dem Auto begleitet wenn sie betteln gehen, wegen der Sicherheit. Wahrscheinlich haben die Kids so lange genervt bis Papa gesagt hat “Na gut, dann fahr ich euch zu den Wohnmobilen, aber nur eine Stunde!” Touristen nerven ist für die Kinder eine lustige Abwechslung und so hart ist mein Kapitalistenherz noch nicht, dass ich da nicht mitspiele…

Wir fahren zum Atlantik und finden einen tollen Stellplatz direkt am Strand für einen Euro. Wir verdoppeln und geben dem Jungen, der abendlich das Geld einsammelt, einen Euro extra. Hoffentlich hat’s keiner gesehen.

Der Atlantik bei Agadir ist rauh und ein Paradies für Surfer – Baden ist so gut wie unmöglich, da hier unglaubliche Strömungsverhältnisse herrschen.

Und es geht zurück nach Marrakesh – die zehn Tage mit Ella sind im Flug vorbei gegangen und zum Abschluss wollen wir ihr noch Marrakesh bei Nacht zeigen. Wir stehen auf einem Stellplatz keine 300 Meter von Marktplatz und Souks entfernt. Nach Einbruch der Dunkelheit verwandelt sich das ohnehin schon hektische Marrakesh in einen Hexenkessel. Es ist unvorstellbar laut, bunt und bizarr. Da gibt es nicht nur Schlangenbeschwörerei, sondern auch Kinder-Boxen und Geschichtenerzähler, denen hunderte von Menschen gespannt lauschen. Es ist wirklich unvorstellbar faszinierend, aber auch anstrengend.

Marrakesh bei Nacht – Eins der bislang intensivsten Erlebnisse unserer Reise.

Wir verlassen Marrakesh und Camping Schatz in Richtung Norden. Ella ist wieder zurück in Wien und wir machen uns auch in Richtung Heimat auf den Weg. Die Straße nach El Jadida am Antlantik ist trostlos und zeigt die fade Seite Marokkos. Viel Staub, Dreck und immer Wind, der alles durcheinanderwirbelt. Dafür ist die Hafenstadt mit der Portugiesischen Zitadelle (Weltkulturerbe) ein Schmuckstück. Wir wollen in 150-Kilometer-Schritten zum Mittelmeer hoch und dann Mitte März wieder nach Spanien übersetzen. Im “Dauerbetrieb” konnte Marokko uns nicht so überzeugen, wie erwartet. Hier sind einfach zu viele Touristen unterwegs und für diese Mengen fehlt einfach die Infrastruktur.

Ich denke der marokkanische Staat könnte mit dem Wohnmobiltourismus sehr viel Geld verdienen. Aber hier wird definitiv nichts invesiert und auch nicht kreativ überlegt, wie ma mehr herausholen könnte. Die Wohnmobilisten lassen nicht nur kein Geld im Land, sie beanspruchen auch wertvolle Ressourcen.

Wäre ich hier König, ich würde erstmal eine Einfuhrsteuer für Wohnmobile erheben und zwar in Höhe von 100 Euro pro Monat. Das kann sich jeder leisten, der hier runterfährt.

Wir sehnen uns nach den einsamen Stellpätzen im Kaukasus.

Die marokkanische Hauptstadt Rabat bietet eindrucksvolle Sehenswürdigkeiten.

El Jadida ist auch wieder typisch für marokkanische Großstädte: Es gibt eine klare Trennung zwischen Alt- und Neustadt. Während es auf den traditionellen Märkten extrem wuselig zugeht, haben die Neustädte schon fast europäischen Charme. Die “Portugiesische Zitadelle” ist Weltkulturerbe – wirklich spüren tut man davon wenig, denn das “Denkmal” ist bewohnt und unzählige kleine Läden warten auf Touristen. Positiv ausgedrückt: Das Denkmal lebt.

Wuselig und trotzdem entspannt – so wird uns Rabat in angenehmer Erinnerung bleiben.

Rabat ist die nächste Station und die marrokanische Hauptstadt empfängt uns extrem sauber und aufgeräumt. Selbst innerhalb der Medina geht es sehr ordentlich zu. Es gibt kaum Müll und das Händlergebahren in den überquellenden Markthallen der aufgeräumten Souks ist angenehm zurückhaltend. Trotzdem herrscht ein quirrliges Treiben. Wir stehen wieder auf einem Parkplatz in der Innenstadt.

Marokkanische Frauen und Mädchen sind sehr selbstbewusst – ob mit oder ohne Schleier – das scheint hier kaum einen Unterschied zu machen.

Zugegeben – wir waren etwas Marokko-müde. Zu viel Staub, zu wenig Kontakt zur Bevölkerung, zu viel Hektik! Im Kaukasus und selbst in der Türkei war das alles anders – viel entspannter, viel positiver für die Seele. Aber die Erfahrungen die wir im mondänen Rabat und im malerischen Fes sammeln können versöhnen uns doch wieder ganz gut mit diesem Land. Rabat und Fes sind tolle Städte und wir genießen die Zeit. Allerdings: die entspannte Atmosphäre in der riesigen Medina von Feshat einen Grund: Es landen wegen dem Coronavirus kaum noch Touristenflugzeuge.

Chefchouen ist aufgrund der intensiven Farbgestaltung als “Blaue Stadt” bekannt. Uns wird der Ort als der Platz in Marokko in Erinnerung bleiben, an dem die Katzenplage wirklich nicht mehr zu übersehen und vor allem nicht mehr zu überriechen ist. Je kleiner die Sehenswürdigkeiten je intensiver werden die Touristen angeworben. Wir machen uns da schnell weg und fahren nach Tetouan, wo wir nochmal ein ganz anderes Marokko erleben. Hier wird vornehmlich auf spanisch kommuniziert und die Preise sind nochmals deutlich niedriger. Wir bezahlen für ein Taxi einen Euro, 6 Euro für ein Frühstück für zwei Personen. Die Stadt hat ein absolut westliches Gepräge, aber das Fehlen sanitärer Standards – egal wo man schaut – wird uns langsam zum Problem. Der Campingplatz am Meer ist akzeptabel und wir bereiten uns auf die Überfahrt nach Spanien vor. Nach knapp 6 Wochen ist nicht das Abenteuer die große Herausforderung Marokkos gewesen. Nach einem Dreivierteljahr Türkei und Transkaukasus ist das fette Gesicht des Tourismus hier in Afrika schwer zu ertragen. Es gibt hier keinen Platz ohne Wohnmobile, selbst in der Wüste nicht.

Ich würde niemandem abraten, nach Marocco zu fahren: Die Menschen sind supernett, die Landschaften grandios und die Möglichkeiten vielfältig. Jeder muss selbst wissen, was er daraus macht und wie er zum Massentourismus in einem armen Land steht.

Ich habe leider nicht das Gefühl, dass diese Art von Tourismus das Land weiter bringen wird. Dafür sind die Kluften zwischen Gastgebern und Gästen noch zu unüberbrückbar. Augenhöhe – wie ich sie in den ehemaligen Sowjetrepubliken erlebt habe – ist hier schwer realisierbar. Tourismus hat hier ein Kolonialismus-Geschmäckle: Wir kommen her, nutzen die Ressourcen des Landes ohne dafür zu zahlen und pflegen einen nicht wirklich warmherzigen und ehrlichen Umgang mit den Gastgebern. Fragt man die Leute, warum sie herkommen taucht neben dem Klima als eins der Hauptargumente auf “Weil es hier so günstig ist!” Ich glaube, dass der Tourismus hier um 95 einbrechen würde, wenn man die Preise angemessen anheben würde. Das wäre ähnlich entscheidend wie Dauerregen. Ich habe z.B. Armenien, Azerbeijan, Georgien und die Türkei der Leute wegen geliebt. Leute haben wir hier kaum kennengelernt.

Für uns war Marokko trotz allem eine schöne und intensive Zeit. Dafür unser herzlicher Dank!

Hier ist Schluss mit der Etappe Marokko.

2 Gedanken zu „18. Etappe: Marokko (3. Febuar – 9. März)“

  1. Hi Schnalli, ich lese gerade deinen letzten Satz zum xten mal und frage mich, was du damit meinst? Was genau hast du dir erhofft und inwieweit wird dich dieses Land mehr, anders formen als die bisherigen?
    Genießt das Märchen von 1000 und 1ner Nacht, es scheint dort wahr zu werden.
    LG Mechthild

    1. Hi Mechthild, es kann sein dass man einfach viel Abstand braucht, um etwas bestehendes richtig bewerten zu können. Ich habe das Gefühl, dass ich diesen Abstand langsam bekomme. Ich kann mich in Diskussionen wieder positionieren ohne trotzig zu sein und mir eigene Standpunkte erarbeiten, die mir selbst wertstabil erscheinen. Das war lange Zeit verschwunden und ich habe das Gefühl, dass diese Denkblockaden sich hier auflösen, weil du mit deiner klassischen abendländischen Denke hier auch nicht weiterkommst. Zudem stellst du dir hier an allen Ecken und Kanten dein bisheriges Sein in all seiner kapitalistischen Pracht in Frage bis zu einem Punkt, an dem du wirklich ehrlich überzeugt sagst: “Ich brauch das alles eigentlich gar nicht!” Du beginnst hier die letzten Fäden zu kappen. Ich habe zumindest ansatzweise wieder das Gefühl, dass ich mich weiterentwickele.

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