Minus 28 – Es geht immer nur um dich

Was mich am meisten freut beim Gedanken an die Zukunft ist, dass mich was freut. Mein größter Wunsch die letzten paar Jahre war immer, zurückschrauben zu können. Weniger Umsatz, weniger Verantwortlichkeit, langsamer alt werden, und schneller klug oder zumindest aus Erfahrung lernen – aber wenn man selbständig ist, kommt man schlecht raus aus dieser Schraube, die einen von echter Selbst-Optimierung immer weiter entfernt. Man verfällt irgendwann der wahnwitzigen Meinung, dass man nur genug Geld verdienen müsse, dann würde schon alles gut werden – und man müsse nur genug arbeiten, dann würde man auch genug Geld verdienen.

Immer wenn ich versuchte, mit diesem System zu brechen, oder nur laut darüber nachgedacht habe, haben mir wichtige Leute vorgeworfen: “Du denkst immer nur an dich!” – und da sich das nicht gut anfühlte habe ich versucht das nicht zu tun und entsprechende Marken zu setzen. Das erklärt, warum ich neben einem echt ausgefüllten Arbeitstag und anstrengender Familienbewältigung noch meinte, als Flüchtlingsbetreuer, Brennholz-Lieferant, Weltverbesserer, Hobby-Psychologe und Fußballtrainer tätig sein zu müssen. Geholfen hat mir das alles nicht, nur abgelenkt. Es hat nur die zur dringend notwendigen Selbstoptimierung zur Verfügung stehende Zeit gestohlen und Spiritualität unterbunden. Es kämpfen immer zwei Seelen in einer jeden Brust, die eine denkt an dich, die andere, die will das nicht.

Andererseits: Die die sich selbst immer an erste Stelle gestellt haben, denen geht’s heute auch nicht besser. Die Ergebnisse bleiben gleich und es geht immer darum, wie jetzt noch die restlichen Körner verteilen?

Jetzt geht es bald los und ich habe das Gefühl, dass ich zum ersten Mal seit dem Erwachsenwerden die Chance ergreifen könnte, nur an mich zu denken. Klingt pathetisch und löst das ebenfalls ungern gehörte “Nimm dich nicht so wichtig!” aus. Haltet alle bloß die Klappe, ich hab mir das lange genug angehört!

Hätte ich früher erkannt, dass ich einfach hätte besser mal ein paar Dinge liegengelassen, ein paar Leute nicht beachtet und ein paar Wege nicht gegangen wäre, dann hätte ich auch vielleicht etwas mehr an mich selbst gedacht und hätte mich nicht so ausgebrannt.

Aussteigen heißt für mich heute, auch aus dem Erwartungskreislauf auszusteigen mit dem letzten Restchen Energie, das mir noch bleibt und das es dazu braucht. Alles zu seiner Zeit, sagt die, die mir wichtig ist. Ich glaube, man kann gar nicht alles richtig machen und was würden die Leute über einen reden dann…

Sisyphos sitzt auf dem Berg und wenn er aufhören will mit seinem blöden Tun muss er erst einmal wissen warum er das tut und wer oder was ihn zwingt runterzulaufen und den blöden fels wieder hochzurollen. Er muss die Parameter ändern, jemand anderes wird das nicht für ihn übernehmen.

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